Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Café statt Auto
Fußgänger und Fahrzeuge kämpfen in Innenstädten um Platz – In Mannheim können Gastronomen nun Parkplätze nutzen
MANNHEIM (dpa) - Es sind nur 24 ganz normale Sitzplätze – aber für Ronnie Boland ist es eine „Großstadtoase“. Wo noch vor Kurzem drei Autos parkten, sitzt der Mannheimer Café-Betreiber lächelnd auf seiner neuen Holzterrasse. In einem überraschenden Schritt bot die Verwaltung der badischen Stadt jüngst den einheimischen Gastronomen an, ihre Außenbestuhlung auf Parkbuchten auszuweiten. Boland zögerte keinen Moment. Kritiker der Neuerung nimmt er nicht ernst. „Von denen hat bei mir noch nie einer Kaffee getrunken“, sagt er.
Stadtgestaltern zufolge stören die Caféhaus-Terrassen die öffentliche Ordnung nicht, im Gegenteil: Sie werden zum Teil des Lebensgefühls einer Gesellschaft. Schon lange ringen die Verwaltungen in BadenWürttemberg um die richtige Mischung aus Autos und Fußgängern.
In Mannheim heißt der Mann für die sogenannten Parklets Klaus Elliger. Der Fachbereichsleiter der Stadtplanung will das oft triste Bild parkender Autos auflockern. Gastronomen könnten den neuen Bereich mit Blumenkästen abgrenzen oder auch Podeste aufstellen, sagt er. Wichtig sei aber, dass etwa die Kanalabflüsse zugänglich blieben. Im Kampf gegen Parkplätze sieht Elliger sich nicht. Die Kommune wisse sehr gut, dass Parkgelegenheiten vor der Tür für Geschäftsleute wichtig seien.
Mehr Flair für die Stadt
Boland ist der erste Gastronom in Mannheim, der das Prinzip „Sitzplätze statt Parkplätze“nutzt. Vier weitere Lokale wollen nachziehen, heißt es. Hintergrund: Mannheim baut gerade seine Flaniermeile Planken für rund 30 Millionen Euro um – da sollen auch die umliegenden Straßen aufgewertet werden. In Mannheim gilt die Erlaubnis für Außengastronomie auf Parkplatzflächen vorerst für zwei Jahre. Experten sehen die Sicherheit im Verkehr dadurch in der Regel nicht gefährdet. Eine Ausnahme gilt, wenn die Außengaststätte an einer unübersichtlichen Stelle steht. Deswegen darf Boland an seiner neuen Terrasse am Straßenrand keine Sonnenschirme aufstellen – eine Einschränkung, die er verkraftet. „Ich denke, das Ganze gibt der Stadt mehr Flair“, sagt der gebürtige Schotte und Gastronom.
Kontroverse Diskussion
Das findet auch Ayla, die auf der Terrasse Kaffee trinkt. „Natürlich stört es ein wenig, dass die Autos so nahe vorbeifahren“, sagt die 35-Jährige. Aber es sei besser als vorher. „Ohne Autos hat man mehr freie Sicht und Parkplätze gibt es genug“, sagt sie. Selbst wenn alle derzeit interessierten Gastronomen das neue Konzept umsetzten, würden nur schätzungsweise 50 Parkplätze wegfallen.
Im Internet wird das Thema Parklets kontrovers diskutiert. Gegner sprechen von einem Ärgernis für Autofahrer, Unterstützer sehen es hingegen als Schritt, die Stadt als Lebensraum zeitgemäß zu gestalten. „Je lebenswerter eine Stadt für Menschen ist“, schreibt einer, „umso besser ist sie auch für den Handel.“