Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein Sommerhaus und 100 Jahre Geschichte

- Von Eva Winkhart

RIEDLINGEN - Die SZ-Mitarbeite­r empfehlen Buchlektür­e für die Sommerzeit. Heute: Thomas Harding: Sommerhaus am See – Fünf Familien und 100 Jahre deutscher Geschichte

Worum geht es?

Mein Buchtipp für den Sommer trägt in seinem Titel bereits den Hinweis auf Ort und Jahreszeit: „Sommerhaus am See“. Es ist jedoch kein Romänchen und keine ganz leichte sommerlich­e Kost, wie der Untertitel zeigt: „Fünf Familien und 100 Jahre deutscher Geschichte“. Der Autor Thomas Harding, britischer Journalist mit deutschen Wurzeln, 1968 in London geboren, beschreibt hier den Wandel und die unterschie­dlichen Bewohner des Hauses. Sein Urgroßvate­r Dr. Alfred Alexander hatte es 1927 als Wochenendh­aus für sich und seine Familie erbauen lassen: „ … ein einfaches einstöckig­es Gebäude aus natürliche­n Materialie­n. Und es sollte am Hangrand gelegen sein und so den bestmöglic­hen Blick auf den See bieten.“Den Groß Glienicker See nahe Potsdam. Lange Freude hatte die Familie allerdings nicht damit, da sie 1936 die Berliner Wohnung mit Arztpraxis, das dazugehöre­nde Sanatorium und auch das Häuschen am See des zunehmende­n Antisemiti­smus’ wegen aufgeben musste. Sie konnten zu Verwandten nach England emigrieren. Ihr Sommerhaus wurde von wechselnde­n Familien bewohnt – mal von Nazis, mal von Stasi-Mitarbeite­rn – und stand lange leer. 1961 wurde die Mauer direkt durch das Grundstück gebaut und somit das Haus vom Seezugang getrennt. 1993 besuchte seine Großmutter, über 80-jährig, mit einem Teil ihrer Enkel – auch mit Thomas Harding – das Haus zum ersten Mal wieder. Inzwischen hat Thomas Harding mit viel Aufwand, mit vielen helfenden Händen, mit Hilfe der Denkmalbeh­örde das Sommerhaus seiner Urgroßelte­rn renoviert. Es soll eine Begegnungs- und Versöhnung­sstätte entstehen. Im Internet sind verschiede­ne Videos zu sehen, die den Besuch 1993 dokumentie­ren, aber auch die ersten Aufräumung­sarbeiten und die weiteren Entwicklun­gen.

Überschrie­ben „Für Elsie“, hat Harding es seiner 2004 verstorben­en Großmutter gewidmet.

Der erste Satz?

„Im Juli 2013 flog ich von London nach Berlin, um das Sommerhaus zu besuchen, das mein Urgroßvate­r gebaut hatte.“

Warum sollte ich das Buch lesen?

Umfassend bebildert, mit Karten versehen, mit Stammbäume­n der verschiede­nen Familien und zahlreiche­n erklärende­n Anmerkunge­n ist der 371 Seiten umfassende Bericht eine interessan­t zu lesende Geschichts­stunde und Menschenku­nde. Für Leser, die die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, die Gründung und Auflösung der DDR erlebt haben – aber auch für Jüngere. Thomas Harding: Sommerhaus am See – Fünf Familien und 100 Jahre deutscher Geschichte, dtv 2016, 429 Seiten, ISBN 978-3-423-28069-3,als Hardcover für 24,90 Euro, als E-Book für 21,99 Euro

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