Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Fehde um den Walnussbaum
Die Kirche in Alberweiler will einen Baum fällen lassen, Anwohner wehren sich dagegen mit allen Mitteln
ALBERWEILER - Der Walnussbaum an der Kirche werfe zu viel Schatten und verursache zu viel Laub: Deshalb will die Gemeinde Alberweiler ihn fällen lassen – auf Wunsch der Kirche. Doch Anwohner und Naturschutzverbände machen mobil gegen die Pläne.
Das Grundstück von Caterina Pira-Böhme gleicht einem Paradies. Grüne Idylle zwischen Apfelbäumen, Büschen und der alten Kirchenmauer. Ein Eichhörnchen turnt durch die Äste und die Abendsonne legt sich über den Garten. Doch PiraBöhme ist kampfbereit. Sie spüre „Wut und Entsetzen“. An der südlichen Grenze ihres Grundstücks will die Kirche einen Walnussbaum fällen. Der hat einen Umfang von rund 2,70 Meter und steht da seit 180 Jahren, behauptet Pira-Böhme. Falsch, sagt Kirchenpfleger Walter Neubrand und zeigt ein paar ausgeblichene Fotos zum Beweis, auf denen der Baum noch ein Pflänzchen war. „Der Baum ist gerade mal 60 oder 70 Jahre alt.“
Beim wahren Alter des Gewächses fängt der Streit in Alberweiler an, und wo er aufhört, weiß niemand. Ab Oktober darf gefällt werden. Franz Wohnhas, Vorsitzender des Kirchengemeinderats, will an dem demokratischen Votum festhalten. „Wenn wir nachgeben, haben wir für immer verloren.“
Fronten sind verhärtet
Bevor der Baum gefällt wird, wollen sich Caterina Pira-Böhme und ihr Mann Werner Böhme mit Freunden an den Stamm ketten. Sie betonen: Das ist ernst gemeint. Mit der Abholzung des Baumes wolle die Kirche „ihre Tradition der Gewalt und Zerstörung im Namen Gottes weiterführen“, schreibt Pira-Böhme in einem Brief an Bürgermeister Mario Glaser, den Alberweiler Ortsvorsteher Hermann Ackermann und Vertreter des Landratsamts. „Fassungslos“sei er darüber, sagt Wohnhas vom Kirchengemeinderat. „So kann man mit uns doch nicht umgehen.“Die Fronten diesseits und jenseits der Kirchenmauer in Alberweiler sind verhärtet. Wie konnte es so weit kommen?
Schon in der Vergangenheit gab es Diskussionen um den Baum, der offiziell auf dem Grundstück der Gemeinde steht. Vor wenigen Jahren erst sind Pira-Böhme und ihr Mann in das Nachbarhaus gezogen. Damals einigten sich die Verantwortlichen darauf, lediglich die Äste zurückzuschneiden.
Doch jetzt soll die Kirche in Alberweiler renoviert werden, rund 300 000 Euro kostet die Maßnahme. Damit sei das Ende für den Baum gekommen, bevor er an der frisch renovierten Kirche sein Unheil anrichten könne. Schließlich habe sein Schatten bereits genug Feuchtigkeit und dunkle Flecken auf der Fassade verursacht. „Der Baum wird ja immer noch größer“, sagt Wohnhas. Zudem sei auch die Leichenhalle vom Baum abgedeckt. Wohnhas ist selbst Schreiner und sagt, es sei natürlich, auch mal einen Baum zu fällen. Er finde es hingegen „traurig, wenn eine Person im Ort so eine Macht hat, um demokratische Entscheidungen zu überstimmen“.
Doch Pira-Böhme hat sich Unterstützung geholt: Der Naturschutzbund (Nabu) und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) haben sich für den Erhalt des Baumes ausgesprochen. „Wenn Bäume gefällt werden, gibt es oft viel Empörung. Manchmal sind die Argumente, den Baum zu fällen, allerdings nachvollziehbar“, sagt Martin Rösler, Vorsitzender des Nabu Biberach. „Aber in diesem Fall kann ich keine stichhaltigen Argumente erkennen.“Der Baum sei weder brüchig noch krank, sondern „in seinen besten Jahren“. Eine Beschattung sei kaum möglich, da der Baum im Norden der Kirche steht und höchstens die späte Abendsonne ein paar Schatten auf die Kirchenwand werfe.
Auch Esther Franzen, BUND-Vorsitzende, glaubt, dass die Schäden an der Kirche kaum von dem Walnussbaum herrühren können. Zudem ließen sich durch eine Sanierung der Fundamente und mikrobiellen Farbauftrag beseitigen. Alle ein bis zwei Jahre sollte der Baum zurückgeschnitten werden, dann drohe keine Gefahr mehr. Franzen verweist auch auf die religiöse Bedeutung : „Seit jeher werden Bäume neben Kirchen gepflanzt.“Und: Der Walnussbaum vertreibe Schnaken.
Baum steht nicht unter Schutz
„Wenn man sich nur für jedes Menschenleben so einsetzen würde wie für diesen Baum ...“, sagt Kirchengemeinderat Wohnhas. Auch Schemmerhofens Bürgermeister Mario Glaser hat den Fall prüfen lassen und bestätigt: „Es gibt keine Verbotsnorm im deutschen Recht, die das Fällen des Baumes verbietet.“Der Baum stehe nicht unter Schutz. Er sehe sich an den Beschluss des Ortschaftsrates gebunden, und dieser müsse akzeptiert werden. Natürlich erhalte die Gemeinde Ökopunkte, doch die Äste lediglich zurückzuschneiden, sei nicht gewollt. Er werde den Beschluss umsetzen.
Doch hinter der Kirchenmauer schmieden Pira-Böhme und ihre Mitstreiter bereits neue Pläne. Zwar haben sie bislang nur wenig Kontakt zur Nachbarschaft, doch das soll sich ändern. Sie wollen Plakate aufhängen, bei den Alberweilern für ihre Anliegen werben und weiter für den Baum kämpfen. Bis zum Äußersten.
Franz Wohnhas sagt, er wolle nicht, dass es „wegen eines Baumes Mord und Totschlag in Alberweiler gibt“. Und auch Glaser hat sich im Gespräch mit der SZ bereit erklärt, in einem Gespräch zwischen Kirche und den Naturschützern zu vermitteln. Viel Zeit für eine Einigung bleibt wohl nicht mehr.