Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Mit dem Tablet auf Borkenkäfer-Jagd
Förster im Kreis Biberach setzen auf digitale Technik - 2017 besonders viele Schädlinge
BIRKENHARD - Mit moderner Technik geht die Forstverwaltung im Kreis Biberach gegen Borkenkäfer vor: Sie nutzt dafür Onlinekarten und Tablets. Das Pilotprojekt soll helfen, die Zahl der Schädlinge schneller und fehlerlos zu erkennen.
Früher kam es vor, dass der Holzerntefahrer in den Forst fuhr und zu fluchen begann, weil er den befallenen Baum nicht finden konnte oder ein Punkt auf der Karte falsch gesetzt war. Es kam vor, dass ein Forstarbeiter an einem feucht-nebligen Morgen mit einer klammen Papierkarte durch den Wald streifte. Und es kam vor, dass Sachgebietsleiterin Karin Ott abends beim Übertragen der Karten einen Punkt übersehen hat. „Man vertut sich halt mal“, sagt sie.
Der Borkenkäfer dürfte sich darüber gefreut haben, für die Forstverwaltung aber ging wertvolle Zeit im Kampf gegen den Schädling verloren. „Befallene Bäume müssen wir schnell finden, ernten und rausschaffen“, sagt Ott. „Wenn’s dumm läuft, kann ein Weibchen sonst bis zu 100 000 Nachkommen produzieren.“
Positive Resonanz
Rund sechs Wochen bleiben Ott und ihren Kollegen vom ersten Befall bis zum Zeitpunkt, an dem der Baum aus dem Wald sein muss. Ott suchte nach einer Möglichkeit, dieses Verfahren zu beschleunigen. Und fand die Lösung in der modernen Technik. 15 Tabletgeräte sind seit diesem Jahr im Einsatz. Flach wie ein Papier, handlich wie ein Buch und vor allem mit einem GPS-Signal, das den genauen Standort erkennt. Rund 350 Euro pro Gerät hat der Landesbetrieb ForstBW dafür aus seinem ITBudget bezahlt. Das Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung begleitet das Pilotprojekt.
Im September oder Oktober will Ott einen Abschlussbericht erstellen. Doch schon jetzt sei „die Resonanz positiv“. Die Bäume lassen sich per GPS bestimmen und mit einer Software markieren, der Revierleiter kann den Fortschritt leichter nachvollziehen. Und doch zeigen sich im Alltag kleine Schwächen: Nicht überall im Wald ist ein GPS-Signal verfügbar.
„Es dauert teilweise, bis sich der Standort aktualisiert“, erklärt Ott. Auch zur Übertragung der Daten auf den Server müssten die Forstarbeiter teilweise aus dem Wald fahren, um eine Verbindung zum Mobilfunk zu erhalten. Dennoch wolle sie nicht mehr auf die Geräte verzichten. „Ich find’s super, mit denen zu arbeiten.“Die kleine Revolution im Kampf gegen den Borkenkäfer kommt offenbar zur rechten Zeit. So viele Borkenkäfer wie in diesem Jahr waren schon lange nicht mehr unterwegs. Das warme Wetter begünstigt das Wachstum.
Ab Temperaturen von rund 16 Grad über mehrere Tage schwärmen die Tiere aus ihren Winterquartieren aus und befallen umliegende Bäume, in der Regel Fichten. „Die suchen sich vor allem die schwachen Individuen aus“, sagt Ott und meint damit zum Beispiel freistehende oder vorgeschädigte Bäume. Vor allem der Buchdrucker verursacht unübersehbare Spuren.
Auf einer Waldlichtung in der Nähe des Forststützpunkts Birkenhard reckt Ott den Finger in die Höhe und deutet auf einige Löcher in der Rinde einer Fichte, aus denen braunes Bohrmehl fällt. Zudem hat sich die Baumkrone rötlich verfärbt. Die Käfer fressen sich immer weiter ins Holz, die Nährstoffkette ist gestört und die Wasserzufuhr abgeschnitten. „Der Baum hat keine Chance mehr und stirbt“, sagt Ott.
Schaden nicht nur für Umwelt
Nicht nur der ökologische Schaden ist gewaltig, sondern auch der wirtschaftliche. Ein Festmeter Käferholz kostet in der Regel bis zu 85 Euro, Frischholz hingegen bis zu 95 Euro. Zudem muss der Baum deutlich früher gefällt werden als ursprünglich geplant. Um zu erfahren, wann der Borkenkäfer ausschwärmt, haben die Forstarbeiter bereits im Frühjahr Fallen mit Lockstoffen aufgebaut. Sobald sie beobachten, dass die Zahl der Käfer zunimmt, begeben sich die Mitarbeiter von Forst BW auf die Suche. Kein einfaches Unterfangen, denn immerhin ist das Kreisforstamt im Kreis Biberach zuständig für rund 11 500 Hektar Staatswald, 4800 Hektar Kommunal- und Kirchenwald und 8500 Hektar Privatwald. „Systematisch laufen wir die gefährdeten Waldflächen ab“, sagt Ott. Befallene Bäume werden mit neonfarbenem „K“besprüht. „K“wie Käfer.
Ott geht davon aus, dass es am Ende des Jahres deutlich mehr sein werden als üblich. Und sie glaubt auch, dass der Klimawandel die Entwicklung des Käfers in Zukunft begünstigt. Deshalb will sie vorbereitet sein und nicht auf die Vorteile moderner Technik verzichten. Ob das Pilotprojekt Schule macht, ist noch offen. Forst BW erklärt auf Anfrage: Als „moderne Verwaltung“sei sie „bestrebt, Möglichkeiten der Digitalisierung zu prüfen und zu nutzen“.