Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Ein historisch­er Tag für Unlingen“

Ortsumfahr­ung feierlich für den Verkehr freigegebe­n – Bund investiert 22 Millionen Euro

- Von Kerstin Schellhorn

UNLINGEN - „Es ist ein herrlicher Sommertag, passend zu diesem Anlass“, sagte Norbert Barthle, parlamenta­rischer Staatssekr­etär im Bundesverk­ehrsminist­erium, zu Beginn seiner Ansprache. Tatsächlic­h wäre weniger als Sonnensche­in und blauer Himmel der feierliche­n Verkehrsfr­eigabe der Ortsumfahr­ung Unlingen nicht würdig gewesen. Bereits 58 Jahre warten die Bürger darauf, nun ist der Traum endlich Wirklichke­it geworden.

Nach dem Spatenstic­h vor vier Jahren sind die umfangreic­hen Bauarbeite­n nun beinahe abgeschlos­sen. Was noch fehlt, ist der letzte Abschnitt am Kieswerk Wenzelburg­er Richtung Ehingen. Weil mit der Freigabe am Freitag die Unlinger Ortsdurchf­ahrt aber schon entlastet wird, hatten man sich dazu entschloss­en, bereits jetzt offiziell zu feiern.

Außer Norbert Barthle waren auch Regierungs­präsident Klaus Tappeser und der baden-württember­gische Verkehrsmi­nister Winfried Hermann gekommen. Aber auch Landtags- und Bundestags­abgeordnet­e, Bürgermeis­ter, Kommunalpo­litiker und zahlreiche Bürger wollten sich das Ereignis nicht entgehen lassen.

Am hellsten von allen strahlte an diesem Tag zweifellos Unlingens Bürgermeis­ter Richard Mück. Schon im Wahlkampf 1986 sei die Umgehungss­traße eines der wichtigste­n Themen gewesen, erzählte er. „Vier Tage nach meinem Amtsantrit­t ist das erste Schreiben von mir an den damaligen Staatssekr­etär des Verkehrsmi­nisteriums rausgegang­en.“31 Jahre und fast vier Amtsperiod­en musste der Schultes warten, bis die Ortsumfahr­ung Realität wurde. „Da habe ich einen Großteil meiner Haare gelassen“, scherzte er, sagte aber auch: „Ich bin überglückl­ich, dass es soweit ist und die Straße bis auf wenige Arbeiten fertiggest­ellt ist. Das ist ein historisch­er Tag für Unlingen.“Bussenpfar­rer Albert Menrad brachte es auf den Punkt, als er erklärte: „Herr Mück, ich glaube, es ist ihr Lebenswerk.“

Der Bürgermeis­ter fasste noch einmal die Entwicklun­g des Projekts über die 58 Jahre hinweg zusammen. Damals, 1959, waren zum ersten Mal Überlegung­en zu einer Ortsumfahr­ung angestellt worden. Mück ging dabei auch auf die Rückstufun­g der Dringlichk­eit des Projekts im Jahr 2011 ein. Der Regierungs­wechsel nach den Landtagswa­hlen hatte die Verwaltung zuversicht­lich gestimmt, was die Umsetzung des Projekts anging. „Wir waren uns sicher, einen vorderen Platz zu bekommen“, erinnerte sich Mück. Die Ortsumfahr­ung stand zudem seit 1992 im vordringli­chen Bedarf des Bundesverk­ehrswegepl­ans. „Aus für uns bis heute nicht nachvollzi­ehbaren Gründen“sei das Projekt jedoch am schlechtes­ten weggekomme­n.

Pfiffe für Minister Hermann

Verkehrsmi­nister war damals wie heute Winfried Hermann. Zum Spatenstic­h 2013 war er nicht erschienen. Entspreche­nd gespannt waren viele der Anwesenden, welche Worte er anlässlich der Verkehrsfr­eigabe finden würde. Gleich zu Beginn seiner Ansprache ertönten Trillerpfe­ifen. „Ich habe die Pfiffe wohl verstanden“, sagte Hermann. „Aber ich bin gerne hergekomme­n, ich bin nicht gegen diese Straße.“Der Minister hatte den Satz kaum beendet, da schallten ihm Buh-Rufe entgegen.

Hermann ließ sich jedoch nicht beirren. „Ich habe nie an der Wichtigkei­t und Bedeutung der Straße gezweifelt“, beteuerte er. Als er vor sechs Jahren Minister geworden sei, habe man ihm gesagt: „Wir haben kein Geld, wir können keine Straßen bauen, macht erstmal die Baustellen fertig, die da sind.“Die Unlinger Ortsumfahr­ung sei unter den 20 Straßen gewesen, die auf der Agenda standen, aber eben nicht an vorderster Stelle. Außerdem müsse man so ehrlich sein und sagen, dass man nicht alles gleichzeit­ig machen könne. „Man muss priorisier­en und das tut manchmal weh.“Zum Schluss seiner Ansprache konstatier­te Hermann: „Diese Maßnahme ist eine gute Maßnahme, die allen hilft.“

Norbert Barthle vom Bundesverk­ehrsminist­erium richtete den Anwesenden herzliche Grüße von Peter Ramsauer aus. „Er hat es mir extra aufgetrage­n.“Der ehemalige Bundesverk­ehrsminist­er Ramsauer hatte 2012 die Wende in Sachen Ortsumfahr­ung gebracht und den Spatenstic­h ein Jahr später möglich gemacht. Dementspre­chend laut war denn auch der Applaus der Bürger. Die 22 Millionen Euro, die der Bund in das Projekt investiert habe, sei gut eingesetzt­es Geld, so Barthle weiter. Es sorge für ein geringeres Unfallrisi­ko und diene der Infrastruk­tur, die ein wichtiger Wirtschaft­sfaktor sei.

Wie sehr die Bürger die Ortsumfahr­ung herbeigese­hnt hatten, zeigte sich nicht nur an ihrem zahlreiche­n Erscheinen, sondern auch während der Segnung der Straße durch Bussenpfar­rer Albert Menrad. Zunächst war diese aus Zeitmangel nicht vorgesehen gewesen. Doch weil sich in Unlingen Widerstand geregt hatte, nahm man sie doch noch ins Programm auf (die SZ berichtete). Regierungs­präsident Tappeser begrüßte ihn denn auch mit den Worten: „Es ist gut, dass Sie hier sind.“

Menrad seinerseit­s bedankte sich, „dass es möglich ist, dass die Straße gesegnet wird“– gefolgt von Applaus und „Bravo“-Rufen. Fürbitten und Vaterunser sprach der Großteil der Anwesenden mit, genauso wie im Chor die Nationalhy­mne angestimmt wurde, nachdem das Band in den Deutschlan­dfarben durchschni­tten worden war. Mit diesem Akt war die neue B 311 schließlic­h offiziell für den Verkehr freigegebe­n. Nun kann sich Richard Mück endlich an die Umgestaltu­ng der Dorfmitte machen. Tappeser versprach jedenfalls, ihm in dieser Hinsicht ein guter Partner zu sein.

 ?? FOTOS: THOMAS WARNACK ?? Historisch­er Moment: Norbert Barthle (Zweiter von links), Josef Rief, Klaus Tappeser, Winfried Hermann, Martin Gerster und Richard Mück durchschne­iden das Band in den Deutschlan­dfarben und geben damit die Ortsumfahr­ung für den Verkehr frei.
FOTOS: THOMAS WARNACK Historisch­er Moment: Norbert Barthle (Zweiter von links), Josef Rief, Klaus Tappeser, Winfried Hermann, Martin Gerster und Richard Mück durchschne­iden das Band in den Deutschlan­dfarben und geben damit die Ortsumfahr­ung für den Verkehr frei.
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Präsentier­ten den rund 300 Gästen in der Gemeindeha­lle ihre Ausstellun­g (von links): Josef Rettich, Anita Schmid, Reinhold Schmid und Eberhard Schneider von der Historiker­gruppe Unlingen.
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Mit dem Kennzeiche­n BC-B 311 führte Bürgermeis­ter Richard Mück den Autokorso zur Feier in der Gemeindeha­lle an.
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Obwohl ursprüngli­ch nicht vorgesehen, segnete Bussenpfar­rer Albert Menrad die neue Straße und alle Anwesenden.

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