Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Irakische Armee erobert Tal Afar vom IS zurück

40 000 Zivilisten sind in der Großstadt eingeschlo­ssen

- Von Michael Wrase

LIMASSOL - Schneller als erwartet ist der „Islamische Staat“aus seiner Hochburg Tal Afar vertrieben worden. Befanden sich am Samstag noch fünf Prozent der strategisc­h wichtigen Großstadt im Nordwesten des Irak unter der Kontrolle der Terrormili­z, verkündete der irakische Brigadegen­eral Najim Jouburi tags darauf die „hundertpro­zentige Befreiung des gesamten Stadtgebie­tes mit der Hilfe Allahs“. Lediglich im Vorort Aayaziyah hielten sich noch einige IS-Kämpfer verschanzt.

Als Grund für die Niederlage des IS nannten irakische Militärspr­echer Erschöpfun­g und fehlende Mannschaft­sstärke. Lediglich 2000 Aktivisten hätten sich den rund 50 000 anrückende­n irakischen Soldaten, Polizisten und Milizionär­en entgegenge­stellt. Bereits im Juni hatten proiranisc­he Milizen den Großraum Tal Afar vom Rest des IS-Herrschaft­sgebiets abgetrennt. In der Stadt hatten vor der Einnahme durch den IS im Jahr 2014 etwa 200 000 irakische Turkmenen gelebt.

Zum Zeitpunkt der Offensive, die vor zehn Tagen begann, sollen sich nach US-Erkenntnis­sen 20 000 Zivilisten in Tal Afar aufgehalte­n haben. Das Flüchtling­shilfswerk der Vereinten Nationen geht von 40 000 Eingeschlo­ssenen aus, welche in Lagern in der Umgebung untergebra­cht werden könnten. 9000 Zivilisten soll in den letzten Tagen die Flucht gelungen sein.

Es ist bereits das zweite Mal innerhalb von zehn Jahren, dass Tal Afar befreit werden musste. Nach der US-Invasion 2003 hatten Kämpfer des Terrornetz­werkes al-Kaida die Wüstenstad­t unter ihre Kontrolle gebracht und als Stützpunkt für Angriffe gegen US-Soldaten genutzt. 2007 gelang amerikanis­chen Elitetrupp­en die Rückerober­ung vom Tal Afar, aber der Wiederaufb­au stockte. Die auch von der Zentralreg­ierung in Bagdad vernachläs­sigte Stadt blieb ein Unruheherd. Die Rückkehr der Dschihadis­ten im Juni 2014, dieses Mal unter der schwarzen Flagge des IS, war daher keine Überraschu­ng.

Bagdad und Washington bemühen sich derzeit um die Vernichtun­g des IS in der an Syrien, Jordanien und Saudi-Arabien grenzenden Provinz Anbar sowie die Rückerober­ung der letzten IS-Gebiete im Großraum Kirkuk. Fortschrit­te im Kampf gegen den IS macht auch die Assad-Armee. Sie konnte zuletzt ein 2000 Quadratkil­ometer großes Gebiet in Zentralsyr­ien zurückerob­ern und den IS im Grenzgebie­t zum Libanon zur Kapitulati­on zwingen. Kurz vor dem Fall steht zudem die von überwiegen­d kurdischen Milizen belagerte „ISHauptsta­dt“Rakka.

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FOTO: AFP Irakische Soldaten feiern die Einnahme der Stadt Tal Afar.

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