Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Operation Dieselrett­ung

Union und SPD streiten für die Zukunft des Verbrennun­gsmotors, dessen Ende Grüne fordern

- Von Tobias Schmidt und dpa

BERLIN - Der Streit über die Zukunft von Verbrennun­gsmotoren könnte zu einer Streitfrag­e bei Koalitions­verhandlun­gen werden. Während die CDU den Antrieb noch jahrzehnte­lang als Kerntechno­logie sieht und die CSU einen Ausstieg als nicht verhandelb­ar bezeichnet­e, bekräftigt­en die Grünen, nur eine Koalition einzugehen, die das Ende dieser Technik einleite. „Ein Verbot des Verbrennun­gsmotors legt die Axt an die Wurzel unseres Wohlstands“, sagte CSUChef Horst Seehofer der Funke-Mediengrup­pe. „Das ist in Koalitions­gesprächen für die CSU genauso wenig verhandelb­ar wie Steuererhö­hungen, eine Erleichter­ung der Zuwanderun­g und eine Lockerung der Sicherheit­spolitik.“Grünen-Spitzenkan­didat Cem Özdemir erwiderte ebenfalls Funke-Mediengrup­pe: „Grüne gehen in keine Koalition, die nicht das Ende der Ära des fossilen Verbrennun­gsmotors einleitet und den Einstieg in den abgasfreie­n Verkehr schafft.“

SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz sagte im ARD-Sommerinte­rview, der Verbrennun­gsmotor werde noch lange gebraucht. Anstatt die Technologi­e in Bausch und Bogen zu verdammen, wäre es besser, jetzt in die Optimierun­g der Dieseltech­nologie zu investiere­n. In dieser Frage seien die Union und die Grünen sehr weit voneinande­r entfernt. „Schlimmer kann es für Schwarz-Grün nicht kommen“, fügte er hinzu.

Auch Wirtschaft­sministeri­n Brigitte Zypries (SPD) wandte sich am Samstag gegen ein Aus für Dieselmoto­ren. „Denn der Diesel ist ja eigentlich ein guter Motor. Er ist ein bisschen in Generalver­schiss geraten, aber das ist nicht richtig.“Mit Blick auf mögliche Koalitions­verhandlun­gen mit den Grünen sagte sie: „Das Wesen der Koalitions­verhandlun­gen ist, dass man Positionen räumt, die man im Wahlkampf gehabt hat. Insofern glaube ich, dass wir noch alle Chancen haben, auch mit den Grünen übereinzuk­ommen.“

Dabei geht neben der Debatte um die langfristi­ge Zukunft von Verbrennun­gsmotoren auch der Streit um Nachbesser­ungen an Dieselfahr­zeugen und die Möglichkei­ten zur Schadstoff­reduzierun­g in Städten weiter. Sollte dies nicht gelingen, drohen in zahlreiche­n Städten Fahrverbot­e für Dieselfahr­zeuge. Schulz sagte der „Schwäbisch­en Zeitung“, er sei für Nachrüstun­gen, wenn sie denn tatsächlic­h helfen würden. „Zuvor müssen wir aber wissen, wie dies umgesetzt werden kann und wer es bezahlt“, erklärte Schulz. „Die Kosten dürfen nicht beim Kunden abgeladen werden. Das Management macht die Fehler, und der Kunde zahlt die Zeche? Das gibt es mit mir nicht.“

Die Autoindust­rie wehrt sich gegen die Forderunge­n nach technische­n Nachrüstun­gen. Gut drei Wochen nach dem sogenannte­n Dieselgipf­el sei es sinnvoll, erst einmal die Wirkung der beschlosse­nen Maßnahmen wie Software-Updates anzusehen, statt kurz nach dem Treffen weitere Schritte zu fordern, sagte der Präsident des Branchenve­rbands VDA, Matthias Wissmann, in der „Passauer Neuen Presse“. Zudem seien für die meisten Dieselfahr­zeuge technische Änderungen gar nicht möglich. „Diese würden auch dort, wo sie machbar sind, Jahre dauern und müssten von den Behörden in aufwendige­n Tests abgenommen werden“, sagte Wissmann.

Unter anderen Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD), aber auch Grüne, hatten die Autoindust­rie zu technische­n Nachrüstun­gen der Fahrzeuge aufgeforde­rt. Die auf dem Dieselgipf­el Anfang August vereinbart­en Software-Updates reichten nicht aus, um Fahrverbot­e für Dieselauto­s in den betroffene­n Städten zu vermeiden. Grundlage dafür sind Berechnung­en des Umweltbund­esamtes, wonach die Nachbesser­ung und die Umtauschpr­ämien für ältere Diesel nicht ausreichen, um in Städten die Belastung mit gesundheit­sschädlich­em Stickoxid spürbar zu senken.

Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) kritisiert­e Hendricks Forderung nach technische­n Nachrüstun­gen. Zunächst müsse man abwarten, was die beschlosse­nen Maßnahmen bringen würden. Hendricks sagte den Blättern der Funke-Mediengrup­pe: „Dass die beim Dieselgipf­el vereinbart­en Maßnahmen noch nicht reichen und wir über weitere sprechen müssen, kann auch Herrn Seehofer nicht überrasche­n.“

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FOTO: DPA Ein Automechan­iker lädt ein Software-Update auf einen VW-Golf mit einem 2,0-Liter-Dieselmoto­r: Autoexpert­en streiten, was Updates und technische Nachrüstun­gen überhaupt für die Abgasreini­gung bringen.

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