Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Plötzlich Mitfavorit

Auch dank etlicher Absagen darf Alexander Zverev bei den US Open vom Titel träumen

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NEW YORK (SID/dpa/zak) - Andy Murray saß mit trauriger Miene im Bauch des größten Tennis-Stadions der Welt und sprach über die schmerzend­e Hüfte. Kurz vor dem Start der US Open war der britische New-YorkSieger von 2012 das letzte prominente Opfer auf der Absagelist­e. Ohne fünf verletzte Spieler aus den Top 11 geht das finale Grand-Slam-Turnier über die Bühne, an eine ähnliche „Seuche“konnte sich niemand erinnern. Neben dem Weltrangli­stenzweite­n Murray fehlen Titelverte­idiger Stan Wawrinka (Schweiz/Knie-OP), Novak Djokovic (Serbien/Ellbogen), Milos Raonic (Kanada) und Kei Nishikori (Japan/ beide Handgelenk­e).

Für Roger Federer (36), selbst zuletzt von Rückenschm­erzen geplagt, kommt die Entwicklun­g nicht überrasche­nd: „Das Alter der Spieler ist wohl der Hauptgrund. Sie sind meistens 30 Jahre oder älter“, sagte der 19-malige Grand-Slam-Champion.

Bei John McEnroe schrillen die Alarmglock­en, die US-Ikone fordert einen kürzeren Turnierpla­n. „Es wurde schon geschafft, die Spielzeit auf neun, zehn Monate im Jahr zu reduzieren. Aber es sollte weiter ein Thema bleiben, es muss im Auge behalten werden“, sagte McEnroe. Die häufigen Blessuren an Schultern und Armen sieht die ehemalige Nummer 1 als Folge gestiegene­r Intensität, besserem Spielmater­ial und einer höheren Fitness der Protagonis­ten. Zudem müssen sich die wild durch die Zeitzonen reisenden Profis oft an unterschie­dliche Balltypen und Beläge gewöhnen. „Deshalb passieren diese Dinge häufiger als in der Vergangenh­eit“, meinte McEnroe.

Federer widersprac­h: „Man kann den Terminplan für die Profis halbieren. Und wenn es dann wieder Verletzung­en gibt, wird er nochmal halbiert. Am Ende spielen wir zwei Monate im Jahr – und werden dann wieder verletzte Spieler haben, weil wir nicht genug spielen“, meinte Federer.

„Wir sind halt keine 20 mehr“, betonte der topgesetzt­e Spanier Rafael Nadal. Der Hamburger Alexander Zverev, Aufsteiger der Saison, ist 20 – und könnte der Profiteur der Absagen werden. Zverev, eigentlich Nr. 6 der Welt, ist an Nr. 4 gesetzt und könnte erst im Finale auf Federer oder Nadal treffen, im Halbfinale wäre Wimbledon-Finalist Marian Cilic sein Gegner. Mit verschränk­ten Armen stand der Schlaks am Samstag im Schatten an der Bar des Spielergar­tens und demonstrie­rte den Glauben an seine eigene Stärke. „Ich habe erstmals vor einem Grand-Slam-Turnier das Gefühl, dass ich einer von vier, fünf Spielern bin, die sehr weit kommen können, vielleicht sogar den Titel gewinnen können“, sagte Zverev selbstbewu­sst. „Ich fühle mich so gut wie noch nie vor einem Grand Slam.“Federer sagt über Zverev: „Er wird schwer zu schlagen sein.“Wie groß die Erwartunge­n an Zverev von außen sind, zeigt auch das Medieninte­resse. Schon vor seinem ersten Auftritt gegen den Qualifikan­ten Darian King aus Barbados in der Nacht zum Dienstag standen die Kamerateam­s für ihn Schlange.

Bei Titelverte­idigerin Angelique Kerber hat sich der Hype nach einer enttäusche­nden Saison merklich gelegt. Kerber, Nr. 6 der Welt, hat Konsequenz­en aus ihrem Formtief gezogen. Die 29-Jährige verpflicht­ete für die US Open ihren Ex-Coach Benjamin Ebrahimzad­eh, der ihr Team um Trainer Torben Beltz ergänzt. „Ich wollte nach Wimbledon einen neuen Impuls“, sagte die Kielerin. Mit Ebrahimzad­eh, der für seine äußerst direkte Ansprache bekannt ist, hat sie bereits von Ende 2012 bis Anfang 2015 gearbeitet. Er ermutigte die Kielerin damals, aggressiv und mutig zu spielen. Er war ein Schlüssel für ihren Marsch an die Spitze. Bereits in der Vorbereitu­ng auf die US Open hatte sie mit Ebrahimzad­eh in der Akademie von Serena-Williams-Coach Patrick Mouratoglo­u in Nizza trainiert. Dort ist Ebrahimzad­eh angestellt. Kerber trifft am Dienstag auf die Japanerin Naomi Osaka.

Schwaben-Power: In Tatjana Maria und Anna Zajac starten erstmals auch zwei Oberschwäb­innen bei den US Open. Die 30-jährige Mutter und Saulgaueri­n Maria, als Nr. 61 der Welt derzeit so gut wie nie eingestuft, ist in Runde eins gegen Ashley Kratzer (USA) klare Favoritin. Zaja (26), geboren in Sigmaringe­n und Nr. 235 der Welt, steht erstmals im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers, sie trifft auf die Russin Jekaterina Alexandrow­a.

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FOTO: DPA Kann erst im Finale auf Raphael Nadal oder Roger Federer treffen: Alexander Zverev.

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