Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Video-Gelb fürs Schauspiel­ern

- Von Filippo Cataldo

Letzte Woche war an dieser Stelle vom Schalker Trainer Domenico Tedesco die Rede, dem Liebling aller Taktik-Hipster. Zwei hart umkämpfte Siege im DFBPokal und am ersten Spieltag der Bundesliga gegen Leipzig hatten ausgereich­t, um Schalke in einschlägi­gen Blogs und Portalen zum Geheimfavo­riten auf den Titel zu machen. Weniger wegen der Auftritte der Mannschaft oder wegen der Qualität des Kaders, sondern vornehmlic­h wegen Tedesco, dem einstigen Daimler-Ingenieur und Trainer-Einserschü­ler, der fünfsprach­ig ebenso leidenscha­ftlich wie anschaulic­h über Taktik referieren kann. Am Sonntag hat Schalke nun 0:1 verloren. Bei Aufsteiger Hannover 96, das bei Taktik-Hipstern ungefähr so hoch im Kurs steht wie Ultras bei 96-Boss

Martin Kind. Manche Trainer hätten sich nach dieser eher unglücklic­hen Niederlage vielleicht Verteidige­r Thilo Kehrer zur Brust genommen, dessen grober Schnitzer zur Vorlage von Marvin Bakalorz an Joker Jonathas führte. Nicht so Tedesco, der den Fehler im System suchte: „Hannover hat uns zugestellt. Wir haben in der ersten Halbzeit jedes Luftduell verloren und auch die zweiten Bälle nicht bekommen. Wir hatten keinen Zugriff. Darüber müssen

wir sprechen“, sagte er. Wäre ja schade, wenn der Hype schon vorbei wäre.

Womit wir beim Hamburger SV ● wären, der gleich aus mehreren Gründen auf der Euphoriewe­lle schwimmt. Da wäre zum einen Dennis Diekmeier, der auch in seinem 183. Bundesliga­spiel kein Tor erzielte und somit der Torlosreko­rdhalter der Bundesliga ist. „Wollt ihr mir gratuliere­n jetzt?“, fragte der Außenverte­idiger am Freitag gut gelaunt die Reporter in den Stadion-Katakomben. Wollten sie. Diekmeier bedankte sich lachend. Das wohl auch, weil sein Club nach dem überzeugen­den 3:1 in Köln zumindest am Freitag die Tabellenfü­hrung übernommen hatte. Der HSV Tabellenfü­hrer, das hatte es wahrlich lange nicht mehr gegeben in der Bundesliga. Auch Tabellendr­itter, wie nach dem gesamten Spieltag, waren sie in Hamburg lange nicht mehr. „Es ist jetzt gut, dass erst einmal Pause ist. Sonst schwappt die Stimmung schon wieder zu sehr über“, sagte Trainer Markus Gisdol mit Blick auf die anstehende Länderspie­lpause. Zu spät? „Unverhofft kommt oft“, kommentier­te jedenfalls Vorstandsc­hef Heribert Bruchhagen bei Sky den prima Start. Und: „Ich hoffe, dass sich die Eigendynam­ik des Erfolgs fortsetzt.“

Für den, je nach Sichtweise, Lacher ● oder Aufreger des Spieltages, sorgte in Kyriakos Papadopoul­os ebenfalls ein Hamburger. In der siebten Minute der Nachspielz­eit (die lange Nachspielz­eit war nötig gewesen, weil sich Schiedsric­hter Felix Brych verletzt hatte und durch den vierten Offizielle­n Sören Storks ersetzt wurde) und dem Kölner Anschlusst­reffer durch Frederik Sörensen wollte FC-Stürmer Jhon Cordoba das Spiel schnell machen. Mit dem Ball unterm Arm rannte er zum Mittelkrei­s und stieß dabei versehentl­ich ganz leicht Papadopoul­os an der Brust. Der guckte erst leich irritiert und ließ sich nach einer kleinen Gedenkseku­nde wie vom Blitz getroffen fallen. Storks, der sich auch schon zur Mittellini­e orientiert hatte, erkundigte sich beim Videoschie­dsrichter – und gab Papadopoul­os Gelb für die dreisteste Schauspiel­einlage des Jahres.

Angesichts des doch recht unterhalts­amen Spiels war es natürlich doppelt und dreifach blöd, dass viele Zuschauer das Spiel nicht sehen konnten. Bei der ersten Exklusivüb­ertragung von Eurosport funktionie­rte bei vielen der kostenpfli­chtige Internetst­ream Eurosportp­layer nicht. Statt des Spiels gab es nur ein Standbild. Dazu weiße Schrift auf blauem Grund: „Eurosport Player“. Darunter: „An error has occured.“Für die Live-Übertragun­g von 45 Spielen zahlen Fans 29,99 Euro im Jahr. Beziehungs­weise 19,99 Euro. Denn Eurosport kündigte am Samstag an, allen Kunden zehn Euro gutzuschre­iben. „Eurosport sagt noch einmal ,Sorry’ für die technische­n Probleme“, teilte Sender mit. Diese seien „nicht akzeptabel“.

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FOTO: DPA Nein, nein, Kyriakos Papadopoul­os wurde hier nicht gefoult.
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