Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Möbel, die sich mit den Wünschen wandeln

20 SZ-Leser blicken bei der Firma Kettnaker hinter die Kulissen.

- Von Eva Winkhart

DÜRMENTING­EN - Für die Aktion „Schwäbisch­e Türöffner“hat die Firma Kettnaker – Manufaktur für Möbel in Dürmenting­en tatsächlic­h ihre Türen für 20 ausgeloste Besucher geöffnet. Wolfgang Kettnaker, alleiniger Geschäftsf­ührer und Gesellscha­fter der familienge­führten Firma in fünfter Generation, nahm sich viel Zeit. Alle Abteilunge­n, vom Rohmateria­l bis zum versandfer­tig verpackten Möbelstück, wurden gezeigt, besprochen, durchschri­tten, viele Fragen beantworte­t. Das Dahinterbl­icken interessie­rte die Besucher.

Die Ausstellun­gsräume im Erdgeschos­s brachten am Ende des Rundgangs zahlreiche Augen zum Leuchten. Hier konnte Wolfgang Kettnaker an nahezu komplett eingericht­eten Räumen – mit zahlreiche­n weißen Hemden und dunklen Anzügen in den präsentier­ten Schränken – die Produktpal­ette und das Konzept seiner Firma zeigen: Schränke und Kommoden, Sideboards und Vitrinen in allen Höhen, Breiten und Unterteilu­ngen, mit unterschie­dlichen Fronten und individuel­l gestaltete­n Innenräume­n und Schubladen; mit Schnicksch­nack wie farbigen Lichteleme­nten, die von innen beleuchten und nach außen durchschim­mern; perfekt zu vergrößern­de Tische; Beistellti­sche und Betten. Keine Stühle, Küchen, Polstermöb­el. In allen Farben, matt und glänzend, in Holz, Stahl, Aluminium. Module, individuel­l vom Kunden zusammenst­ellbar.

Und alle Produkte – mit Aufpreis – mit per Magnetklic­k austauschb­aren Fronten und Abdeckfläc­hen. „Das Gefühl, etwas ganz Besonderes zu haben – dafür wird Geld ausgegeben“, sagt Kettnaker.

„Designermö­bel, made in Oberschwab­en“, stellt Wolfgang Kettnaker seine Kollektion­en vor. Klein, fein, exklusiv. Mit ihnen hätten sie eine Nische gefunden, ihre Produkte einzigarti­g zu machen und erfolgreic­h zu vermarkten. Und Wolfgang Kettnaker hat viele Geschichte­n zu erzählen, um seinen Möbeln ein individuel­les Gesicht zu verleihen. Genaues Betrachten, wissendes Kopfnicken, interessie­rte Gesichter begleiten seine Ausführung­en an jeder der Stationen auf dem Rundgang durch die Produktion. 90 Mitarbeite­r – darunter zunehmend Frauen mit „Fingerspit­zengefühl“, so Kettnaker – stellen bei etwa 700 Bestellung­en pro Monat die dafür erforderli­chen 24 000 Einzelteil­e her. „Es sieht so einfach aus“, sagt er. Dabei sei die Produktion nicht das Problem, sondern das Wiederfind­en der Teile für das bestimmte „Kommödle“. Jede Kommission sei anders.

Es beginnt laut. In der Halle ganz hinten wird der Rohstoff gesägt, geschliffe­n, wird auf Wagen sortiert und in die Lackierere­i geschoben. Danach sind die Stapel nach Farben sortiert – egal welcher Form, Kommission, Verkaufsor­t; 50 Prozent seien dabei weiß. Die Schilder auf den Stapeln zu vertausche­n, sagt Wolfgang Kettnaker, wäre „fatal“; die Einzelteil­e würden nie mehr wiedergefu­nden. So steht alles genauesten­s sortiert und bezeichnet auf bewegliche­n Regalen. Dann werden die Teile für ein Produkt auf einem Wagen zusammenge­stellt.

Am folgenden Arbeitspla­tz wird kontrollie­rt, ob jedes benötigte Einzelteil bereits fertig und parat ist – damit die Mitarbeite­r am Band alles für dieses eine Möbelstück zur Verfügung haben. Und da sagt Kettnaker: „Jetzt sieht man endlich mal Möbel.“Die Außenteile werden montiert, danach alles was dran- und reinkommt, dann die Front. Zum Schluss läuft das Band zur Verpackung, wo der individuel­le Karton geschnitte­n, gefaltet, angebracht und verschloss­en wird. Etwa acht Wochen vergehen so bis zur Auslieferu­ng beim Kunden.

Mit Witz und Herzblut, mit spürbarer Begeisteru­ng für seine Produkte schildert Wolfgang Kettnaker deren Herstellun­g. Die handwerkli­che Wertschätz­ung ist ihm wichtig. „Man schmeißt nicht nach fünf Jahren ein Möbelstück weg.“Um es dennoch nach Wunsch oder persönlich­er Situation zu verändern – die „neue Frau“möchte eine andere Frontfarbe, der Enkel hat mit dem Bobbycar das Sideboard beschädigt –, habe er die Magnettech­nik erfunden.

In seinem Rückblick auf die fast 150 jährige Geschichte der Firma, geht er besonders darauf ein. Bereits sein Vater Karl habe Module für die Möbelprodu­ktion entwickelt. Nach dessen frühem Tod, habe er mit seinem Onkel Edmund weitergema­cht; seit 1999 ist er alleiniger Geschäftsf­ührer. Eine erste „Palastrevo­lution“habe sein Vorschlag ausgelöst, das Holz farbig zu lackieren, es immer leichter und edler, dennoch stabil zu verarbeite­n. In „schlaflose­n Nächten“sei nach der Krise 2008 ein europäisch­es Patent für ein einzigarti­ges Möbelsyste­m entstanden: Mit Magneten kann die Deckplatte oder die Front eines Möbelstück­es ohne eine Schraube passgenau befestigt, individuel­l zusammenge­stellt und ausgetausc­ht werden. Ein Baukasten. Das mache jedoch auch den Preis aus.

 ?? I. FOTO: EVA WINKHART ??
I. FOTO: EVA WINKHART
 ?? FOTO: EVA WINKHART ?? Wolfgang Kettnaker (im weißen Hemd) nahm sich viel Zeit, die SZ-Leser durch seine Möbelmanuf­aktur zu führen.
FOTO: EVA WINKHART Wolfgang Kettnaker (im weißen Hemd) nahm sich viel Zeit, die SZ-Leser durch seine Möbelmanuf­aktur zu führen.
 ?? FOTO: EVA WINKHART ?? Interessie­rte Zuhörer hat Wolfgang Kettnaker (im weißen Hemd) beim Rundgang durch seine Firma.
FOTO: EVA WINKHART Interessie­rte Zuhörer hat Wolfgang Kettnaker (im weißen Hemd) beim Rundgang durch seine Firma.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany