Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Überwacht, immer und überall
„Jugend ohne Gott“wirft einen düsteren Blick auf die strikt leistungsorientierte Gesellschaft
Eine Gruppe von Jugendlichen zieht in ein Zeltlager, das wie ein Survival Camp anmutet. Eine Uni will die Besten der Besten auswählen. Der Film „Jugend ohne Gott“des Schweizer Regisseurs Alain Gsponer („Heidi“) entwirft eine düstere Zukunftsvision. Er beruht auf dem gleichnamigen Antikriegsroman von Ödön von Horváth (1901 bis 1938), der Ende der Dreißigerjahre erschienen ist.
Die Nationalsozialisten setzten das Buch seinerzeit auf die „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“. Gsponer versetzt die Handlung nun in die nahe Zukunft. In der zählen nur noch Erfolg und Effizienz, Konkurrenz und Klassen bestimmen die Gesellschaft. Die Jugendlichen Zach, Nadesh und Titus gehören bereits zur Elite. In einem Zeltlager sollen sie ihre Fähigkeiten beweisen, um für die Universität ausgewählt zu werden. Ein gnadenloser Wettkampf beginnt. Eine Schlüsselrolle kommt auch dem Lehrer (Fahri Yardim) zu, der die Dinge zwar durchschaut, aber erst am Schluss die Kraft zum Widerstand findet.
Zu Beginn des Zeltlagers wird allen Teilnehmern ein Chip eingepflanzt. Immer wieder schwebt eine Drohne in der Luft und zeichnet alles auf. Ständig werden Körperdaten erhoben, auch die psychische Verfassung wird analysiert. Zach (Jannis Niewöhner) erkennt, dass die angeblich gleichen Chancen für alle nur leeres Gerede sind und die Welt in Wirklichkeit verlogen und kalt ist. Nach dem Suizid seines Vaters schreibt er seine Gedanken in ein Tagebuch.
Nadesh (Alicia von Rittberg, „Charité“) verkörpert den Typus der ehrgeizigen, fleißigen und etwas naiv wirkenden Schülerin. Titus (Jannick Schümann) übernimmt den Part des kalten Technokraten, der über Leichen geht.
Außerhalb des Camps leben die sogenannten Illegalen, die von der elitären Gesellschaft ausgeschlossen sind. Die Leiter des Zeltlagers, unter ihnen die Psychologin Loreen (Anna Maria Mühe), informieren die Jugendlichen über „Kriminelle im Wald“, zu denen der Kontakt verboten ist. Ewa (Emilia Schüle) gehört zu diesen Randexistenzen. Als Zach ihr begegnet, ist er fasziniert von dem anscheinend freien, aber auch prekären Leben.
„Jugend ohne Gott“ist hochkarätig besetzt, die Schauspieler überzeugen, ebenso die Ästhetik. Eine gewisse Straffung hätte dem Film allerdings gutgetan. Und über den konventionellen Habitus, der an „Die Tribute von Panem“erinnert, kommt der Film trotz des spannenden Themas nicht hinaus. (dpa)
Jugend ohne Gott. Regie: Alain Gsponer. Mit Jannis Niewöhner, Fahri Yardim, Emilia Schüle, Alicia von Rittberg. Deutschland 2017. 114 Minuten. FSK ab 12.