Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Verbeugung vor Aeneas

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Ein Klavierzyk­lus von Gilead Mishory (geb. 1960) heißt „To Aeneas“. Schon als Kind war der jetzt in Freiburg lehrende Komponist und Pianist fasziniert von Geschichte­n aus Vergils „Aeneis“, die ihm sein Vater vorlas. Besonders das vierte Buch hatte es ihm angetan. Die Tragödie von Dido und Aeneas hat durch die Jahrhunder­te viele Künstler inspiriert. Die vom trojanisch­en Helden verlassene Herrscheri­n von Karthago stand dabei meist ihm Zentrum.

Mishorys 2015 vollendete Kompositio­n leiht eher dem Mitgefühl für Aeneas eine Stimme. In fünf sublimen Tonpoemen („du“, „sie“, „Labyrinth“, „Vater“, „Das Meer“) wird der mythische Gründer Roms „rehabiliti­ert“als zwiespälti­ge Figur zwischen Liebe und historisch­em Auftrag. Den Zyklus „To Aeneas“hat Mishory auf seinem gleichnami­gen Album umrahmt mit der zukunftswe­isenden späten Sonate „Didone abbandonat­a“(1821) von Muzio Clementi und einer eigenen Klavierbea­rbeitung von Giuseppe Tartinis Sonate gleichen Titels für Violine und Continuo (1731), die seinem Vater, einem Geiger, gewidmet ist. Mit ihm hat er das Original einst aufgenomme­n. Jetzt trägt er ihn quasi auf den Schultern dieser Adaption wie Aeneas seinen Erzeuger. (wmg)

„To Aeneas“: Gilead Mishory spielt Klavierwer­ke von Clementi, Mishory und Tartini; Neos 21601

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