Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein Praxisseme­ster in Isfahan

Die 22-Jährige Studentin Elisa Münch aus Grüningen reist für ein halbes Jahr in den Iran

- Von Eva Winkhart

GRÜNINGEN - Kühl und überlegt und doch gespannt und mit viel Freude sieht Elisa Münch dem 5. September entgegen. Am Dienstag fliegt die 22-Jährige für ein halbes Jahr in den Iran. Dort, in Isfahan, plant sie ihr fünftes, ihr Praxisseme­ster.

Nicht gerade so um die Ecke und nicht eines der bei Studenten übliches Ziel ist ihre Ortswahl. Nach einem Jahr in Neuseeland zum Apfelpflüc­ken und „allem, was mit Kiwis zu tun hat“, fühlt sie sich gerüstet für ein neues Land. Das Visum ist endlich da – nach einigen Fehlleitun­gen und Komplikati­onen. Der Koffer – im Geiste – gepackt, Gastgesche­nke ausgesucht, Kopien von ihren wichtigen Dokumenten beschafft. Nun stellt sie ihre Reiseapoth­eke zusammen und frischt ihre Sprachkenn­tnisse in Farsi auf. „Vor allem die Verben!“, sagt sie mit Stirnrunze­ln. Ein Buch, „klein und handlich“überlegt sie noch mitzunehme­n. Auf Deutsch. Für eventuelle Heimwehanf­älle. Von ihrer besten Freundin hat sie eben ein Büchle mit persischen Erzählunge­n bekommen; das steht daher an erster Stelle ihrer Auswahl.

Elisa Münch studiert in Tübingen Ethnologie

Warum sie in den Iran geht, hat mit ihrem Studium in Tübingen zu tun: Ethnologie und Politikwis­senschaft. Persisch sei nach ihrem ersten Semester dort die einzige Sprache im Angebot gewesen, die sie interessie­rt hätte. Und gelehrt werde die von einer Perserin, die sie sehr schätzt. Zeitgleich, erzählt Elisa Münch, habe sie ein Seminar für Landeskund­e belegt mit vielen Informatio­nen über das soziale Leben im Iran, über Rituale, Regeln, Gesetze, mit historisch­em Überblick, mit der Religion. Als dann die Möglichkei­t des Auslandsst­udiums dort bestand, habe sie in diese Richtung gearbeitet. Ihr Thema für ihre Bachelorar­beit meint sie, hier gefunden zu haben: Die armenische­n Christen im Iran. Ob das allerdings wie geplant realisierb­ar ist, stehe noch nicht fest. Die Feldforsch­ung zum Thema – die gezielte Beobachtun­g, Befragung und Elisa Münch aus Grüningen, die ein Semester im Iran studiert

Beschäftig­ung mit dem Alltagsleb­en der in Isfahan lebenden Armenier – versuche sie zu betreiben, sagt aber: „Das ist ein sehr großes und komplexes Thema.“Auf sie zukommende eventuelle Probleme sieht sie gelassen und weiß ihre Situation einzuschät­zen: „Ich bin Gast im Land.“

In Isfahan wird sie im Gästehaus der Universitä­t wohnen. Die Hausordnun­g dort ist ihr bereits bekannt. Auch die Kleiderord­nung des Landes ist nicht gänzlich neu: langärmlig­es Oberteil, lange Hose, Schal oder Tuch locker über den Haaren. Keine Spur von Verschleie­rung. Und Isfahan sei eine touristisc­he Stadt mit internatio­nalem Flair. Sie habe ein gutes Gefühl und vor allem: „Ich bin wunderfitz­ig!“Die Möglichkei­t sei da, warum sie nicht nützen. Sie mache sich viele Gedanken, Vorurteile schreckten sie nicht, außerdem sei sie erwartungs­voll und gut vorbereite­t.

Gut vorbereite­t fühle sie sich auch durch ihre Kommiliton­in und Freundin Mernoush. Die unterricht­et sie zu vielen Episoden in Landeskund­e und der Sprache, zum Verhalten in verschiede­nen Situatione­n. „Damit ich nicht in Fettnäpfch­en dappe“, sagt Elisa Münch und lacht.

Als Erstes steht ein Intensivku­rs in Farsi auf dem Programm

„Und ich hoffe, dass – wenn ich zurückkomm­e – das Persisch fließend läuft.“

Zu Mernoushs Großfamili­e in Täbris führt daher der erste Weg im fremden Land, wenn sie angekommen ist. Vom Flughafen in Teheran fahren Elisa, Mernoush und die vier Kommiliton­en mit dem Bus die etwa 600 Kilometer nach Täbris und haben dort eine Woche zum Einleben und Akklimatis­ieren. Danach hat Elisa Münch ein Busticket nach Isfahan. Zu dritt werden sie sich dort aufhalten. Als Erstes steht da ein Intensivku­rs in Farsi auf dem Programm. Danach werde sie weitersehe­n, ihre Studien voranzutre­iben versuchen, sagt die junge Frau. „Und ich hoffe, dass – wenn ich zurückkomm­e – das Persisch fließend läuft.“Es sei solch eine schöne Sprache, schwärmt sie; es klinge wie gesungen. Sie erlebe es als Genuss, ihrer Lehrerin beim Vorlesen zuzuhören. Über die Sprache verändere sich ihr Denken, meint sie, und die Einstellun­g zur fremden Kultur. Offen für Neues sei sie von vornherein.

Und ihre Eltern? Anfangs seien sie skeptisch gewesen, sagt die kosmopolit­ische Tochter; nach all den Gesprächen und Informatio­nen seien sie inzwischen einverstan­den mit ihrer Wahl.

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