Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Amüsant und interessant
Revital Herzog lädt zum Erzählkonzert in Bad Buchaus Goldenen Saal
BAD BUCHAU - Ein leider nicht allzu großer Kreis Interessierter ist Revital Herzog an ihren „Tisch unter den Mandelbäumen“im Goldenen Saal gefolgt. Wer jedoch Platz nahm, erlebte einen Abend voll Entspannung, Humor und Tiefgang mit Musik und Geschichten aus der jüdischen und arabischen Welt.
Revital Herzog entstammt einer jüdischen Familie aus Israel. Schon ihre Großeltern aus Persien und dem Irak bezauberten Menschen in Tel Aviv mit Märchen und Geschichten aus ihrer Heimat. Begegnungen mit Beduinen im Sinai prägten Herzog ebenso wie die jüdischen Witze und Humoresken, die ihr kroatischer Vater gerne erzählte. All das verschmolz bereits im Leben der heranwachsenden Tochter, die mit dem damals seltenen Namen Revital nicht nur Freude erlebte. Heute erfreut sie als Solokünstlerin, Musikerin und Märchenerzählerin mit ihren verschiedenen Programmen Menschen in vielen Ländern Europas.
Mit typischen Melodien der Klezmer-Musik lädt Revital Herzog, verheiratet mit einem Katholiken in Tübingen und wohnhaft im Raum Reutlingen, in ihr amüsantes Programm „Komm an den Tisch unter Mandelbäumen“ein. Ihre Stimme, ihre Erzählkunst und ihre Virtuosität auf dem Akkordeon sind die einzigen Bausteine, mit denen sie die Geschichten präsentiert, die ihr nach einem freundlichen „Shalom“spürbar aus dem Herzen kommen.
Kultur des Erzählens
„In meiner Familie hat man nie vorgelesen, sondern nur erzählt“, verrät die Künstlerin. „Schon mein Großvater unterhielt seine Kundschaft an seinem Kiosk in Tel Aviv mit Märchen.“Auf Grund ihrer Herkunft wurde zuhause in vielen Sprachen gesprochen. Fast immer gab es, auch wenn Gäste kamen, Bohnensuppe zur Begrüßung. So wurden Probleme besprochen, Beziehungen geknüpft und persönliche Steine aus dem Weg geräumt, weil der Humor bei allem Ernst des Lebens nie zu kurz kam.
So steht der Vater im Alter von 90 Jahren an der Klagemauer in Jerusalem und redet mit Gott: „Was soll man tun, wenn ein Jude zum Christentum überwechselt?“Die vielleicht verblüffende Antwort lautet: „Am besten, du schreibst ein neues Testament für ihn.“
Nicht weniger amüsant und doch tiefsinnig sind Inspirationen, die zu Geschichten aus dem Leben der Beduinen reiften. Bei einer Übernachtung auf einem hohen Berg weckt ein alter Mann einen jungen Schläfer in seinem Zelt mit der Frage: „Schau nach oben. Weshalb siehst du die nächtliche Schönheit des Himmels mit seiner ganzen Sternenpracht?“– „Natürlich, weil Allah dies alles geschaffen hat“, lautet die Entgegnung. „Oh nein“, amüsiert sich der Ältere, „vor kurzem hat man dir dein Zelt über dem Kopf geklaut“.
Revital Herzog arbeitete nach ihrem Studium als Kunstlehrerin in Jerusalem. In jeder Klasse mit mehr 40 Kindern aus vielen Nationen herrschte stets ein fast babylonisches Sprachgewirr. Mit einem Märchen als Einstieg gewann sie die Ruhe und Sympathie ihrer Schüler, die sie oft noch viele Jahre danach begleitete. Auch bei Erwachsenen, so lautet ihre feste Überzeugung, ebnet ein nettes Gespräch viele Wege und eröffnet Gemeinsamkeiten und Verständnis untereinander.
Tänzerische Klänge aus Arabien, ein flotter Marsch, ein beschwingtes Kinderlied aus Israel und immer wieder typische Klezmer-Klänge zeigten die Künstlerin als virtuose Meisterin auf ihrem Akkordeon. Dazu passte die Geschichte der Großmutter, die sich an den großen Augen ihres einjährigen Enkels erfreut, dem sie einen Esel geschenkt hatte. Der Junge wächst heran, auch der Esel wird 18 Jahre alt und stirbt auf dem Weg nach Jerusalem. Der Junge weint bitterlich, findet jedoch Freunde und eine Quelle, bei der angeblich Gebete erhört werden und wundert sich dabei, weil sie mit lauter leeren herzlosen Wörtern gefüllt ist.
Gerne werden solche Geschichten auch auf den Marktplätzen bereits vor Sonnenaufgang erzählt. Oft verbinden sie Realität, Wunsch und Fantasie, aber auch optimistische Erwartung zu kleinen Kunstwerken, in denen mancher Zuhörer seine eigene Geschichte zu erkennen vermag, und in denen Abraham als Urvater vieler Sprachen oft eine entscheidende Rolle spielt.