Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Das Heer der Helferlein zum Nachrüsten
Einparkhilfen, Regen- und Lichtsensoren oder Tempomaten sind im Zubehörhandel erhältlich – Probleme mit komplexen Systemen
BERLIN (dpa) - Das Heer von Assistenzsystemen hat die Kleinwagen erreicht. Kollisionswarner, Spurhalteassistent, Licht- und Regensensor, Rückfahrkamera und Einparkhilfen sind längst nicht mehr den höheren Fahrzeugklassen vorbehalten. Selbst in Kleinstwagen wie dem Smart ist ein Tempomat mittlerweile serienmäßig verbaut. Ältere Fahrzeuge hingegen sind längst noch nicht so gut ausgerüstet. Das weckt Begehrlichkeiten, auf die der Zubehörhandel und die Autohersteller reagieren. Sie bieten Nachrüstsysteme an – wenngleich Vorsicht geboten ist.
Einparkhilfen, Regen- und Lichtsensoren oder Tempomaten sind laut Tüv Süd im Zubehörhandel teilweise schon für unter 100 Euro zuzüglich Einbau zu haben. „Solche Systeme sollten unbedingt in einer Fachwerkstatt eingebaut werden, da die Elektronik des Autos sonst beeinträchtigt oder sogar zerstört werden kann“, rät Marcel Mühlich vom Auto Club Europa (ACE). Ordentlich installiert könnten Nachrüstungen aus dem Zubehörhandel aber durchaus zufriedenstellend funktionieren, ergänzt er. Das gelte auch für schwieriger einzubauende Systeme wie einen Totwinkelwarner. Wie die Originalsysteme der Autohersteller arbeiteten diese zuverlässig, wenn Radarsensoren zum Zuge kämen.
Aufwendig abgestimmte Software
Doch der Experte zieht eine Grenze: „Komplexe Systeme wie Spurhalteoder Notbremsassistenten können nur vom Hersteller abgestimmt werden, denn sie müssen auf viele Sensoren und Daten aus dem Steuercomputer des Fahrzeugs zurückgreifen.“Zudem sei eine aufwendig auf das jeweilige Fahrzeug abgestimmte Software nötig, die der Zubehörhandel nicht bieten könne.
Josef Schloßmacher von Audi weist auf den Kostenfaktor hin, der viele Systeme kaum lohnenswert erscheinen
lässt: „Wenn nicht spezielle Sensorik oder der Kabelstrang für das betreffende System an Bord ist, ist der nachträgliche Einbau oft zu aufwendig und damit viel zu teuer.“Deshalb verfolgt Audi seit 2010 einen anderen Ansatz: on-demand. 2010 war der Kleinwagen A1 der erste Audi, bei dem man sich die Navigationsfunktion nachträglich freischalten
lassen konnte. „Gedacht ist das für nicht so finanzkräftige Fahrer, die bei der Anschaffung des Autos nicht gleich alle Extras bestellen wollen.“
Vergleichsweise einfach ist oft auch der Tempomat zu aktivieren, wenn das Auto dafür vorbereitet ist: „Sollten Sie ein Auto mit elektronisch geregeltem Gaspedal besitzen, reicht oft schon das alleinige Aufspielen einer Software“, sagt ACEFachmann Mühlich.
Vorsicht geboten ist bei vielen Helfern, die mit dem Smartphone oder mit aufgerüsteten NachrüstNavis digitalen Wind ins Cockpit bringen sollen. Versprechen Apps, über die Handykamera die Fahrbahn zu beobachten, um den Fahrer bei Verlassen der Spur oder Überfahren von Markierungen warnen zu können, so ist darauf laut Mühlich kein Verlass: „Von Lösungen, die mit dem Smartphone zusammenarbeiten und die Sicherheit erhöhen sollen, ist abzuraten.“Zwar erkennen viele Lösungen gestrichelte oder durchgezogene Linien, doch können sie oft nicht unterscheiden, ob ein Spurwechsel beabsichtigt ist oder nicht – wovon abhängt, ob die Warnung Sinn ergibt.
Anders die Systeme vom Autohersteller: So unterscheidet der Spurhalteassistent zum Beispiel anhand eines gesetzten Blinkers zwischen Absicht und Versäumnis. Genauso wenig können sich NachrüstGadgets per Vibration über das Lenkrad melden – was bei vielen ab Werk realisierten Lösungen der Fall ist. „Beispielsweise fehlen SpurhalteApps wichtige Informationen wie die des Lenkeinschlags, um zuverlässig warnen zu können“, sagt Mühlich. „Und aktiv eingreifen können solche Systeme überhaupt nicht.“
Automatische Notruffunktion
Es gibt aber Einzellösungen, die das Autofahren auch sicherer machen können. So sind Handyhalterungen auf dem Markt, die die Sprachsteuerung ins Auto holen, was selbst vielen Neuwagen noch fehlt. E-Mails und WhatsApp-Textnachrichten lassen sich diktieren, Navigation und Musikauswahl können per mündlichem Befehl gesteuert werden – was die Sicherheit im Vergleich zu manuell zu bedienenden Lösungen erhöht. Das Gerät eines Schweizer Herstellers, das mit Amazons virtuellem sprachgesteuerten Assistenten Alexa arbeitet, erhielt jüngst als erstes seiner Art sogar ein Tüv-Siegel, sagt Vincenzo Lucà vom Tüv Süd. Auch andere Produkte wie mobile Navigationsgeräte beherrschen Sprachsteuerung, Freisprechen über Bluetooth oder eine automatische Notruffunktion, wie sie als eCall erst ab Frühjahr 2018 verpflichtend in alle Neuwagen kommt.
Ein weiterer Vorteil kann der Wiederverkaufswert sein. „Eine gute Ausstattung trägt dazu bei, dass ein Fahrzeug am Markt stärker nachgefragt wird als dasselbe Modell ohne diese Extras“, sagt Martin Weiss, der für die Deutsche Automobil Treuhand Fahrzeuge bewertet. Das drücke sich dann auch in Form eines höheren Preises aus.