Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Alles neu gemischt
Schalke will sein Theater beenden, Stuttgart beginnt noch einmal von vorn
STUTTGART/GELSENKIRCHEN Wenn ein junger neuer Chef, der gleichzeitig eine Art Newcomer in der Branche ist, in einem Unternehmen als erste Amtshandlung den Liebling eben dieses Unternehmens um einen Kopf kürzer macht, dann braucht er sich nicht zu wundern, wenn ihm ein kleines Taifünchen um die Ohren bläst. Domenico Tedesco, Schalkes neuer 31-jähriger Trainer, tat ebendies mit Weltmeister Benedikt Höwedes, dem Publikumsliebling und Urgestein der Knappen. Sechzehn Jahre lang gab der 34-jährige Defensivrecke den Musterschalker, in Krisenzeiten war er meist der Fels in der Brandung, und dann? Kam Tedesco – und sägte ihn ab. Setzte ihn zuerst auf die Bank und ließ ihn dann leihweise zu Juventus Turin ziehen, ohne mit der Wimper zu zucken. Groß war das Theater danach auf Schalke – und eine Umfrage des „Kicker“bezeichnend. Auf die Frage, wer der große Verlierer im Falle Höwedes sei, sagten 10 Prozent Höwedes, 25 Prozent Tedesco und 65 Prozent: der Verein.
„Unglaublich schade“, sei Höwedes Abgang, „er hätte auch bei uns eine tragende Rolle gespielt, weil er herausragende Qualitäten besitzt“, sagte Tedesco sozusagen posthum und klagte kurioserweise über einen zu kleinen Kader. Inzwischen findet er: „Der Kader ist so, wie er nun mal ist.“Um zwei Positionen dünner als zuvor jedenfalls, weil sich auch der einst vielgelobte Johannes Geis Richtung Sevilla verabschiedete. Die rekordverdächtige Zahl von 18 Spielern hat Manager Christian Heidel im Sommer aus Schalke wegtransferiert, immerhin: Im Schweizer Breel Embolo, dem im vorigen Sommer für 22 Millionen Euro verpflichteten Sturmtalent, dürfte ein lang Vermisster demnächst hinzukommen. Der 20-Jährige ist von seinem komplizierten Schien- und Wadenbeinbruch genesen, in Testspielen wirkte er bereits wieder mit.
Wie stark die Schalker unter dem hochgepriesenen Tedesco wirklich sind, ist dagegen noch offen. Beim Sieg über Leipzig zeigten sie eine bemerkenswerte Kompaktheit, bei der Niederlage in Hannover eine bemerkenswerte Konsequenz im Vergeben von Chancen. Die große Stärke Tedescos, der die Trainerprüfung einst mit einer 1,0 abschloss und Zweitligist Aue aus einer fast ausweglosen Lage vor dem Abstieg rettete, ist angeblich die Sozialkompetenz. Im Falle Höwedes aber konnte er das nicht unter Beweis stellen, am Sonntag gegen den VfB Stuttgart wird er dafür umso mehr unter Druck stehen. Es ist ein besonderes Spiel für Tedesco: Der gebürtige Stuttgarter war nicht nur sieben Jahre lang Jugendtrainer beim VfB, ehe ihn Hoffenheim weglockte, er war auch mal Daimler-Ingenieur.
Stimmt es, dass das Herz von Stuttgarts Trainer Hannes Wolf klammheimlich noch für Dortmund schlägt, dürfte er alles daran setzen, Schalke und seinen Jung-Trainer-Kollegen zu schlagen. Der 36-Jährige wirkte Jahrelang für den BVB, konzentriert sich derzeit aber darauf, eine neue, kräftig umgekrempelte VfB-Elf zu bauen. Alles wurde nochmal neu gemischt beim Aufsteiger, durch die Ankunft des lang gesuchten Sechsers (Santiago Ascacibar) und Rechtsverteidigers (Andreas Beck) hat sich der Konkurrenzkampf vor allem im Mittelfeld noch einmal verschärft. Der Argentinier Ascacibar, dem riesige Vorschusslorbeeren vorauseilen, soll der neue Prellbock und Stratege in der Zentrale werden, die Frage ist nur: Wie schnell kann sich der U20-Kapitän der Gauchos integrieren? Und wer spielt dann auf der Acht? Gleich sechs Spieler kommen dafür infrage, darunter auch Christian Gentner. Wolf droht ein Tedesco-Problem, sofern er den Ur-Stuttgarter und Kapitän nicht spielen lässt – es sei denn natürlich, er gewinnt auch ohne ihn. Auf Schalke allerdings dürfte das nicht ganz so einfach sein.
„Eine coole Mannschaft“
Rückkehrer Andreas Beck, einst ebenfalls acht Jahre lang beim VfB, ehe es ihn in ferne Welten wie Sinsheim oder Istanbul zog, dürfte in jedem Fall in der Startelf stehen. „Man sieht sofort, dass er ein guter Spieler ist. Er ist sofort da. Auch in seiner Persönlichkeit auf dem Platz wirkt er sehr reif“, lobte Wolf den 30-Jährigen. Auf der linken Seite wird Dennis Aogo in seiner alten Heimat auflaufen: „Schalke ist uns individuell teilweise überlegen, aber auch sie haben sich noch nicht richtig gefunden. Das kann eine Chance für uns sein“, sagte Aogo. Holger Badstuber, ebenfalls Ex-Schalker, fehlt dagegen verletzt, auch Daniel Ginczek muss nochmals passen.
Wolf, der kürzlich noch Mängel entdeckt hatte, lobt inzwischen den eigenen Kader: „Sehr stark“, sei der, „ich bin sehr zufrieden. Der Kader ist sehr ausgewogen besetzt. Wir haben eine gute Mischung, die Jungs gehen gut miteinander um. Das ist eine coole Mannschaft“, findet der Trainer. Dann wäre also auch das geklärt.