Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Unlingen und die neue Ruhe
Wie Anwohner der Ortsdurchfahrt die Zeit seit der Freigabe der Umgehung erleben
UNLINGEN - Fast drei Wochen ist es her, dass die neue Bundesstraße 311 und damit die Ortsumgehung Unlingen für den Verkehr freigegeben wurde. Für die Anwohner der Ortsdurchfahrt hat damit ein neues Leben begonnen, ein ruhiges Leben.
„Ich fühle mich wie über Nacht neu geboren“, sagt eine der Anwohnerinnen, die seit 52 Jahren mit ihrem Mann in einem der Häuser an der Hauptstraße lebt. „Ich bin einfach glücklich, dass wir die Umfahrung jetzt gekriegt haben.“Nicht nur den Verkehrslärm musste sie all die Jahre aushalten, auch viele der Unfälle, die sich in der kurvigen Ortsdurchfahrt ereignet haben, hat sie miterlebt. Ihr Mann ist in dem Haus aufgewachsen. Er habe nicht mehr geglaubt, dass er das noch erleben wird, sagt sie. „Jetzt ist es wunderbar.“
Allerdings scheint die neue Ruhe in gewisser Weise auch irritierend zu sein. „Manchmal denkt man, ob was passiert ist, weil es so ruhig ist“, erklärt die Anwohnerin. Diese Erfahrung teilt auch Waltraud Schneider: „Die ersten Tage dachte ich, es ist ein Unglück passiert. Denn sonst war es nur so ruhig, wenn die Straße wegen eines Unfalls gesperrt werden musste.“
„Es ist sehr ruhig“, bestätigt Christine Hefele, die mit ihrem Mann den Hofladen Hefele in der Hauptstraße betreibt und dort auch wohnt. Und es setzte sich weniger Feinstaub auf dem Balkontisch ab. Bisher sei der schon nach einem Tag dreckig gewesen, jetzt dauere es etwa eine Woche. Die Ohrenstöpsel für die Nacht kann Christine Hefele jetzt auch weglassen. Vorher sei es ohne allerdings „gar nicht gegangen“mit dem Schlafen. „Ich bin überzeugt, dass die Gemeinde auf jeden Fall profitiert.“
Auswirkungen auf die Kundschaft im Hofladen stellt Hefele nicht fest. Das Geschäft läuft hauptsächlich über Stammkunden, beim Vorbeifahren gehalten hat so gut wie niemand. Das verhält sich bei Peter und Ursula Rehm, den Betreibern des Gasthaus Sonne, etwas anders. „Wir leben auch ein wenig vom Durchgangsverkehr“, sagt Ursula Rehm. Gerade am Wochenende hätten immer wieder Leute angehalten, um in der Wirtschaft etwas zu essen oder zu trinken.
Bessere Lebensqualität
„Aber wir sind trotzdem zufrieden“, betont sie. Denn diejenigen, die die „Sonne“kennen, schauen auch weiterhin vorbei. Rehms sind aber nicht nur Gastwirte, sondern auch Anwohner der Ortsdurchfahrt. In dieser Eigenschaft sagen auch sie ganz klar: „Es lebt sich jetzt viel besser.“Die vielen Lastwagen seien furchbar gewesen. Vor allem nachts sei jetzt Ruhe.
„Bei uns ist es kolossal ruhig“, sagt ein weiterer Anwohner, der schon mehr als 50 Jahre an der Ortsdurchfahrt lebt. „Was man da für Lebensqualität hat, hat man vorher gar nicht gekannt.“
Während die einen den Lärm endlich weg haben, haben ihn die anderen jedoch dazu bekommen. Im Wohngebiet Vöhringer Weg ist der Verkehr auf der nahe gelegenen, neuen Bundesstraße durchaus zu hören, auch wenn er durch eine Senke fährt, wie einer der Anwohner erklärt. „Man hört den Verkehr, klar. Aber für uns persönlich ist das kein Problem.“Der Familienvater stört sich eher daran, dass der landwirtschaftliche Weg, der vom Wohngebiet über eine der neuen Brücken Richtung Eichenau führt, verbotenerweise auch von Autos genutzt wird.
„Wir haben’s uns schlimmer vorgestellt“, sagt Doris Diem. Der Verkehrslärm sei nicht immer gleich laut. Und ein Maisfeld vor ihrem Grundstück habe im Sommer vermutlich auch etwas Lärm abgehalten. Jetzt ist der Mais zwar abgeerntet, aber dafür sitze man auch abends nicht mehr draußen.