Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Lässiges Alterswerk
Der ehemalige Beatles-Trommler Ringo Starr präsentiert sein 19. Studio-Album: „Give More Love“
RAVENSBURG - Wenn es das Internet noch nicht gäbe, man müsste es unbedingt erfinden. Wer bei Google nach dem ehemaligen Beatles-Schlagzeuger Ringo Starr sucht, findet dort unter www.gutefrage.net folgenden Eintrag vom 27. Juli 2013: „Wann starb Ringo Starr von den Beatles?“Zum Glück steht die Antwort gleich darunter: „Ringo Starr erfreut sich bester Gesundheit und plant ein neues Projekt ...“
Unseres Wissens hat sich daran in den vergangenen vier Jahren nichts geändert. Das Projekt, das damals in der Planung war („Postcards from Paradise“), ist schon wieder Schnee von gestern, am Freitag ist Starrs jüngstes Werk erschienen: „Give More Love“, sein 19. Studio-Album.
Aller Welt besser bekannt unter seinem Künstlernamen, wurde der Musiker einst als Richard Starkey in Liverpool geboren. Am 7. Juli feierte er mit einer standesgemäßen Party in den Capitol-Records-Studios in Los Angeles seinen 77. Geburtstag. Die Fotos, die damals geschossen wurden, zeigen einen der wenigen bärtigen Männer dieser Erde, den das Gesichtsgewächs nicht älter, sondern jünger zu machen scheint. Starr sieht eher aus wie 67, auch auf dem Cover seines neuen Albums. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass er seit 37 Jahren mit Barbara Bach verheiratet ist, vor rund drei Jahrzehnten Alkohol und Drogen ade gesagt hat und sich vegetarisch ernährt.
Und, vielleicht das Wichtigste, er darf immer noch das tun, was er immer wollte: Schlagzeug spielen. Ringo Starr ist ein zufriedener Mann – sein lässiges Alterswerk „Give More Love“Ausdruck dessen. Zehn neue Songs präsentiert der singende Schlagzeuger auf der am 22. September erscheinenden Vinylversion, für die Käufer der CD und der Digitalversionen gibt’s vier altbekannte Zugaben in neuem Gewand.
Starr, zu Beatles-Zeiten stets im Schatten seiner kreativen Bandkollegen John Lennon, Paul McCartney und George Harrison, die Welthits in Serie komponierten, genießt nach einer mehr als 50-jährigen Karriere längst allgemeine Anerkennung – in der Branche und in der Öffentlichkeit. Das Musikmagazin „Rolling Stone“platzierte ihn auf Rang 14 der „100 besten Schlagzeuger“, und auch mit eigenen Stücken feierte er große Erfolge. „Back Off Boogaloo“und „Photograph“, beide auf der CD-Version von „Give More Love“zu finden, waren Nummer-1-Hits.
Prominente Hilfe
In Starrs eigenem Studio in seinem Haus in Los Angeles gab sich die Szeneprominenz die Klinke in die Hand, um dem Kumpel unter die Arme zu greifen, darunter McCartney, Dave Stewart (Eurythmics), Peter Frampton, Starrs Schwager Joe Walsh (Eagles), Steve Lukather (Toto) und Country-Star Gary Burr.
Die geballte Kompetenz schlägt sich nieder in einem vielseitigen, abgeklärten Werk. Acht verschiedene Co-Autoren steuern ihre Ideen bei. Los geht’s mit dem Up-Tempo-Rocker „We’re On The Road Again“mit McCartney am Bass; Co-Autor Lukather glänzt mit einem prägnanten Gitarrenriff. Gemäßigter im Tempo, aber ähnlich gelungen: „Laughable“ mit einer schönen Melodie von CoAutor Frampton. „Show Me The Way“ist eine passable Ballade, die Starrs stimmliche Limitierung belegt. Sehr schön dagegen das drumbasierte „Speed Of Sound“mit einem tollen Rhythmus und einer Talkboxeinlage von Frampton. Starr singt treffend: „Ich weiß, was ich zu tun habe, und das mache ich richtig.“Es folgt „Standing Still“, ein im Country-Stil vorgetragenes Plädoyer gegen Passivität und Tatenlosigkeit.
Nicht ganz so stark präsentiert sich Hälfte zwei des regulären Albums. Der Reggae „King oft the Kingdom“ist eine Hommage an Bob Marley, der Rocker „Electricity“eine an Jimi Hendrix. Die Country-Schnulze „So Wrong For So Long“verschmalzt den Gehörgang mit einer traumhaft schönen Pedal-Steel-Gitarre von Saitenzauberer Greg Leisz, der ungezählte Alben diverser Szenegrößen veredelt hat. Der Rockabilly-Füller „Shake It Up“wäre verzichtbar gewesen, das eingängige Titelstück mit seinen gefälligen Popgitarren ist der würdige Abschluss eines gelungenen Albums.
Als Zugabe gibt’s dann auch noch „Don’t Pass Me By“, die erste von nur zwei Starr-Kompositionen, die Gnade vor den Augen der anderen Beatles fanden – zu finden 1968 auf dem „White Album“.