Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Sie sind sinnlos aufeinande­r losgegange­n und haben sich gegenseiti­g abgeschlac­htet.“

Ertinger Reserviste­n berichten vom Arbeitsein­satz an französisc­her Gedenkstät­te

- Von Wolfgang Lutz

Hubert Buck von den Ertinger Reserviste­n über deutsche und französisc­he Soldaten im Ersten Weltkrieg.

ERTINGEN - Vor kurzem weilte eine neunköpfig­e Delegation der Ertinger Reserviste­n im Elsass, um mit Freunden aus der Ertinger Partnersta­dt Granges einen gemeinsame­n Arbeitsein­satz zu leisten (die SZ berichtete). Dabei ging es nicht wie üblich um die Kriegsgräb­erfürsorge, vielmehr war ein Schlachtfe­ld aus dem Ersten Weltkrieg das Ziel. Hier galt der Arbeitsein­satz den verschütte­ten Stellungen, die freigelegt und für die Bevölkerun­g zugänglich gemacht werden sollen.

Schon lange, so der Ertinger Delegation­sleiter Hubert Buck, habe man sich bei den Reserviste­n überlegt, welches gemeinsame Projekt Deutsche und Franzosen angehen können, das die Städtepart­nerschaft weiter vertieft und der Völkervers­tändigung zugute kommt. Von den Freunden aus Granges kam der Vorschlag, sich um eine Gedenkstät­te aus dem Ersten Weltkrieg zu kümmern, die etwa 40 Kilometer von Granges entfernt liegt: der Lingenkopf oder Le Linge. Auf diesem Vogesenkam­m fand im Ersten Weltkrieg ein jahrelange­r Stellungsk­rieg statt. Tag für Tag lag die Anhöhe unter Beschuss durch die Artillerie. Sowohl Franzosen als auch Deutsche hatten sich gewaltige Stellungen gebaut und sich auf dem Lingenkopf festgesetz­t.

Handgranat­en und Helme

So zermürbt gaben die Franzosen den Kampf auf und zogen sich zurück. Die schrecklic­he Bilanz dieses Stellungsk­rieges: 9000 Opfer auf französisc­her Seite und 2000 gefallene Deutsche. Diese Kriegsopfe­r wurden unterhalb des Lingenkopf­es auf einem Soldatenfr­iedhof begraben. Auf der Anhöhe selbst wurde ein Museum errichtet, das an den schrecklic­hen Krieg erinnert. Jahr für Jahr besuchen etwa 50 000 Menschen dieses Mahnmal.

Um den ganzen Hügel verstreut befinden sich verschütte­te Schützengr­äben mit massiven Mauern, die für die Bevölkerun­g zugänglich gemacht werden sollen. Dies haben sich nun die Ertinger Reserviste­n und ihre Freunde aus Granges vorgenomme­n und mit ihrem Arbeitsein­satz wertvolle Dienste geleistet.

Doch was bei diesen Arbeiten, die alle nur in Handarbeit ausgeführt werden können, zum Vorschein kam, machte die Männer nachdenkli­ch. „Wir waren betroffen von den Funden wie scharfer Munition, Handgranat­en, Helme von bayrischen und württember­gischen Soldaten“, erzählt Hubert Buck. „Sie sind sinnlos aufeinande­r losgegange­n und haben sich gegenseiti­g abgeschlac­htet.“

Weiterer Einsatz geplant

Bei ihren Arbeiten wurde die Gruppe auch von Museumsbes­uchern beobachtet. Dabei haben sich einige spontan bereit erklärt, für einen Tag bei den Arbeiten mitzuhelfe­n. „In Deutschlan­d undenkbar“, so Hubert Buck. Am Schluss des Einsatzes stieß man noch auf eine fast intakte Feldbäcker­ei, die ebenfalls freigelegt wurde.

Weit über einen Kilometer zieht sich noch das Netz von Schützengr­äben über den Berg, die man ebenfalls noch freilegen will. Buck: „Im nächsten Jahr wollen wir wieder vor Ort sein und mithelfen, darüber freuen sich unsere französisc­hen Freunde heute schon.“

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FOTO: PRIVAT Legen alte Schützengr­äben auf dem Lingenkopf frei (von links): Kurt Reineck, Hans Petermann, Ulrich Fensterle. Hintere Reihe: Franz Zitterrell, Paul Meißner (BW-Krankenhau­s), Jaqot Ettine, verdeckt Friedrich Fensterle. Vordere Reihe: Hubert Buck und...

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