Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Geburtshilfe zwischen Stein und Geröll
Heiligkreuztaler Wandergruppe bringt Kalb Florian auf die Welt
Heiligkreuztaler Wandergruppe bringt Kalb Florian auf die Welt.
HEILIGKREUZTAL (sz) - Einer uralten Tradition folgend ging es auch in diesem Jahr für einige Mitglieder aus verschiedenen Vereinen aus Heiligkreuztal für zwei Tage in die Berge zum Wandern. Doch dieses Mal wartete eine besondere Herausforderung auf die Gruppe: eine hochschwangere Kuh, die ihr Kalb nicht alleine zur Welt bringen konnte.
Auf langjähriger Erfahrung aufbauend teilten sich die Ausflügler am Fuße des Allgäuer Sonnenkopfes in eine leistungsstarke und eine hochleistungsstarke Wandergruppe auf und die ersten 850 Höhenmeter wurden erklommen. Der leichte Nieselregen wandelte sich mit zunehmender Höhe in leichten Schneefall um. Am ersten Ziel angekommen, gewann die Sonne immer öfters die Oberhand und der Abstieg in Richtung Silbertal konnte mit gewohnt hoher Motivation angetreten werden.
Zwischen Stein und Geröll, auf schier unbezwingbaren Wanderwegen, erblickte dann ein Teil der Gemeinschaft eine knapp zwei Jahre junge Bergweidekuh, die im Gras lag. Ihr erschöpfter Blick erweckte immer mehr die Aufmerksamkeit der Truppe. Rasch machte sich die Sorge breit, dass mit ihr etwas nicht stimmt.
Unter dem Druck der Beobachter rappelte sie sich schwermütig auf und nun offenbarte sich das Problem: Sie war dabei, ein Kalb zu gebären. Alle Anzeichen deuteten darauf hin, dass sie mit erheblichen Komplikationen zu kämpfen hatte. Zwei Klauen, die Zungen- und die Nasenspitze waren bereits dem Licht der Welt ausgesetzt. Hier schien es aber schon länger nicht weiter zu gehen.
Also fackelten die Ersten aus der Gruppe nicht lange. Es wurden Jacken abgelegt, Ärmel hochgekrempelt und Kontakt mit der sichtbar erschöpften Kuh aufgenommen. Ein erster Griff nach der Zungenspitze des Kalbes deutete auf ein schlimmes Ende hin. Sie war erschreckend kalt und ein sofortiges Handeln war erforderlich.
Parallel wurde vergebens versucht, weitere Hilfe zu holen. Die Kuh schien schnell zu begreifen, dass ihr nun geholfen wird und übergab ohne Widerwillen den weiteren Verlauf des Geschehens in die Hände der Helfer. Zuerst wurden die sichtbaren Körperteile des Klabes in eine günstigere Position gebracht. Im Anschluss versuchte man zu zweit, auch den Rest zu befreien. Trotz erheblichem Kraftaufwand, welcher selbst die ganze Kuh mitzog, konnten nur wenige Zentimeter gewonnen werden. Vor lauter Erschöpfung legte sich die werdende Mutter ins Gras und schien langsam aufzugeben.
Doch das Helferteam wollte sich nicht geschlagen geben, insbesondere als hin und wieder an der kleinen Nasenspitze Atemversuche erkannt werden konnten. Das Kalb schien doch noch ein wenig Lebensenergie zu besitzen.
Gürtel ran, Kalb raus
Die Männer zogen ihre Gürtel aus und legten sie um die kleinen Beine, um besser ziehen zu können. Der Kuh wurde erneut Mut zugesprochen. Mit vereinten Kräften wurde dann das scheinbar Unmögliche geschafft und das Tier zur Welt gebracht. Doch der kleine Kalbskörper blieb im ersten Moment regungslos liegen. Der Mutter schien es auch nicht gut zu gehen.
Doch der Kampf hatte sich gelohnt. Nach einigen Sekunden gab das Kalb zu erkennen, dass es leben will und begann nun mit den ersten Zuckungen und Atemversuchen. Es wurde abgerieben und zur Mutter gebracht. Der Anblick machte auch ihr Mut und sie begann, es trotz Erschöpfung in immer noch liegender Position sauber zu lecken.
Alle Anwesenden waren sichtlich erleichtert und das Kalb wurde kurzerhand und einstimmig nach dem Schutzpatron der Feuerwehr benannt: Florian. Dem Zeitdruck des Abstiegs geschuldet, setzten die Helfer ihre Wanderung fort und informierten bei der nächsten Einkehrmöglichkeit den zuständigen Bauern, welcher sich kurzerhand mit zwei Runden des besten Schnapses des Hauses bedankte. Florian sei wohl gesund, aber die Mutter sei beim Eintreffen des Bauers immer noch nicht so gut beieinander gewesen. Wer weiß, wie lang sie schon mit der Geburt gekämpft hatte.
Für die Heiligkreuztaler Ausflügler war es ein unvergessliches Erlebnis und sie wünschen sich, dass Florian ein langes, glückliches Leben führt. Und auch der Rest des Ausflugs war für alle Teilnehmer in diesem Jahr ein voller Erfolg.