Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Hinterm Berg und hochmodern
Das ZfP Zwiefalten zeigt sein Arbeiten an einem Tag der offenen Tür
ZWIEFALTEN - Zum Tag der offenen Tür „sehen – hören – verstehen“haben Leitung und Mitarbeiter des Zentrums für Psychiatrie Südwürttemberg (ZfP) am Sonntag nach Zwiefalten eingeladen. Seit 2013 öffnet das ZfP alle zwei Jahre seine Türen für die interessierte Öffentlichkeit. Zwischen 11 und 16.30 Uhr waren Vorträge und Besichtigungen, Besuche sonst geschlossener Stationen und viel Information für die Bevölkerung möglich. Groß war das Interesse und zahlreich die Besucher – bis um kurz nach 16 Uhr ein Regenschauer das Gelände räumte.
Das weitläufige Areal mit den renovierten, altehrwürdigen, ehemaligen Klostergebäuden im gepflegten Park um das barocke Münster: Allein das ist sehenswert. Zahlreiche Sitzgelegenheiten im Park und die verschlungenen Wege um den alten Baumbestand zeigen „eine heilsame Umgebung“, wie es eine Besucherin formuliert. Dass der Mensch im Mittelpunkt steht, ist deutlich zu spüren. Der Leitende Ärztliche Direktor des ZfP und Geschäftsführer der Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik, Professor Gerhard Längle, sagt: „Wir sind ein ganz normales Krankenhaus, transparent und offen.“Ein solcher Tag der offenen Tür biete die Möglichkeit, das zu zeigen und Vorurteile abzubauen. „Wir versuchen moderne neue Therapiemethoden zu etablieren. Zwiefalten liegt zwar hinterm Berg, betreibt aber eine hochmoderne Psychiatrie“, schließt er mit einem Augenzwinkern.
Von der Fahrzeugweihe der Werkfeuerwehr bis zu den Bastelund Spielangeboten für Kinder war der Tag gefüllt. Auch die Gärtnerei, die Werkstätten und Räume der Arbeitstherapie mit Keramik-, Holzund Papierarbeiten interessierten die Besucher. Das Museum in der ehemaligen Pathologie und Friedhofskapelle zeigt 200 Jahre Psychiatriegeschichte in Zwiefalten; selbst hier, am Rande des großen Geländes des ZfP, fanden sich zahlreiche Interessierte ein.
Blick in die Forensik
So sind die beiden angebotenen Führungen durch die sonst streng geschlossene Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie begehrt und lange vorher ausgebucht. Ein Feld der Psychiatrie kann hier besucht werden, das interessant ist – belastet durch die negativen Schlagzeilen der vergangenen Jahre. Hier leben Patienten in ähnlichen Bedingungen wie im Maßregelvollzug, allerdings mit unterschiedlichen Therapieansätzen. Straftäter mit Drogenund Alkoholproblemen werden in dem speziell gesicherten Gebäude therapiert, ihre Sucht behandelt, die begangenen Delikte aufgearbeitet. Alfred Bayer, pflegerischer Klinikleiter der Forensik, und die Psychologin Rita Reese, therapeutische Leiterin der Alkoholstation, führen die Gruppe, erklären die Konzeption und stehen für viele Fragen zur Verfügung. Bayer weist schon vor dem Gebäude hin auf die Sicherung durch Panzerglas statt Gittern – auch im Sinne der denkmalgeschützten Anlage. Voll belegt seien sie zurzeit, so Bayer; jedoch sagten manche der Straftäter: „Da geh ich lieber in den Knast. Da hab ich meine Ruhe.“Aber in Baden-Württemberg stehe eine gute Nachbehandlung für eine gute Resozialisierung eines Straftäters. Regeln bilden auch hier das Gerüst für ein Zusammenleben, sagt Bayer; Regeln, die viele der hier behandelten Menschen bisher nicht kennen. Auch eine klare Strukturierung ihres Tages ist häufig neu und wichtig; soziale Kompetenzen werden vermittelt, geübt. Das Ziel in dieser Station ist es, den Häftlingen aufzuzeigen, wie sie ein Leben ohne Straftaten führen können. Bei den Besuchern herrscht eine gewisse Erleichterung, wieder gehen zu können, aus-geschlossen zu werden.
Zwei Fachvorträge stehen im Programm. Viele Zuhörer in der ganz aktuell renovierten Station 3033 finden sich ein bei Dr. Hubertus Friederich, dem Ärztlichen Direktor in Zwiefalten. Er stellt die Station „Sucht plus“vor, berichtet über Sucht und die Therapieangebote hier.
Eine relativ lange Verweildauer von durchschnittlich 46 Tagen gebe es. Das bedeute für die Patienten: „Wir haben viel Zeit.“Sie sollen danach wieder in ein selbstständiges Leben entlassen werden können, „psychosozial integrierbar sein“. Viele verschiedene Behandlungsansätze seien dafür notwendig, auch in ganz banalen Bereichen von der tragfähigen Beziehung bis zur körperlichen Hygiene. Einen „langen Atem“brauche es, dazu die Offenheit und das Mitgehen des Patienten. Neben den modernen Therapiemethoden spielen die ansprechenden Räumlichkeiten eine Rolle. „So eine Station wie unsere gibt es nicht oft in Deutschland“, ergänzt Elke Fritz vom Pflegedienst, auch stolz über die gelungene Renovierung.
Der anschließende Vortrag „Stationsäquivalente Behandlung“von Professor Längle zeigt einen neuen Ansatz der Behandlung psychisch kranker Menschen (Bericht folgt).