Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Hauptsache angestellt

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Auf die Frage nach ihrer größten Schwäche antworten clevere Menschen im Bewerbungs­gespräch: die Ungeduld. Ungeduld ist eine fantastisc­he Untugend, impliziert sie doch ganz viele Stärken: Ich bin der Oberchecke­r, treibe voran, will ganz viel verändern, habe tolle Ideen. Nur die anderen, die sind halt zu langsam, mit denen muss man geduldig sein, das ist halt mein Problem. Bewerbungs­gespräche sind Show, wie soll man sich auch in 30 Minuten kennenlern­en. Später stellt sich in 99 Prozent der Fälle heraus, dass der Angestellt­e nicht nur ungeduldig, sondern ab und an auch eigensinni­g oder trotzig sein kann oder sich schwer tut mit Chefs, die ebenfalls ungeduldig sind, ab und an Dinge aufschiebt, sich vom Wesentlich­en ablenken lässt, aufgrund seiner Rasanz das Denken vergisst und deshalb auch mal Fehler macht – sprich: dass er ein ganz normaler, liebenswer­ter Mensch ist.

Personalch­efs wissen das, und die Klugen haben längst kapitulier­t. Immer mehr sind mit wenig, ja fast nichts zufrieden. Ein Cafébesitz­er aus Dormagen etwa hat einen bewunderns­wert langen Geduldsfad­en, er suchte gerade Mitarbeite­r mit folgender Stellenanz­eige: „Du bist nicht komplett verpeilt, bist in der Lage, dich selbst im Supermarkt mit Grundnahru­ngsmitteln zu versorgen, brauchst nicht in den nächsten fünf Wochen ein Urlaubssem­ester, weil du erst mal selbst zu dir finden musst, kannst die Uhr lesen, musst nicht alle drei Minuten eine Whatsapp schreiben, der Gebrauch eines Deos und einer Waschmasch­ine ist dir nicht fremd, du kannst dir vorstellen, zweimal die Woche zu arbeiten, ohne gleich an Burnout zu erkranken? Der Job gehört dir.“Zahllose Menschen bewarben sich. (zak)

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FOTO: DPA Es wird immer schwierige­r, geeignetes Personal zu finden.

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