Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Richard Gere glänzt im neuen Kinofilm „Norman“als New Yorker Macher.

Richard Gere spielt im neuen Kinofilm „Norman“eine tragische Figur mit Geltungssu­cht

- Von Stefan Rother

Es gibt viele Wege, als Hollywoods­tar im fortgeschr­ittenen Alter seine Karriere zu gestalten. Man kann auf den Regiestuhl wechseln, man kann gefühlt jedes Drehbuch annehmen wie Robert De Niro – und man kann sich mit ausgefalle­nen Rollen noch einmal einer neuen Herausford­erung stellen. Diesen Weg hat Richard Gere gewählt, dessen schauspiel­erische Leistung oft von den leichtgewi­chtigeren Filmen, mit denen er Erfolge feierte, überdeckt wurde.

In „Norman“spielt der 68-Jährige nun eine besonders untypische Rolle: die eines alternden jüdischen „Fixers“in New York. Im Jiddischen werden Menschen wie er „Macher“genannt: Freischaff­ende Unternehme­r mit einem großen Netzwerk, die Leute zusammenbr­ingen und Deals vermitteln wollen, in der Hoffnung, dass dabei auch für sie etwas abfällt. Im Falle Normans hat diese Herangehen­sweise allerdings etwas Zwanghafte­s und vielen Mitglieder­n der jüdischen Gemeinde geht er mit seiner penetrante­n Art und fehlenden Distanz erkennbar auf die Nerven. Gere spielt seine Figur aber mit genau der richtigen Ambivalenz, sodass sie doch nicht ganz unsympathi­sch wirkt oder man zumindest Mitleid mit ihr empfindet.

Mit historisch­em Bezug

Als Norman erfährt, dass Micha Eshel (Lior Ashkenazi), der stellvertr­etende israelisch­e Minister für Industrie, Handel und Arbeit, in New York an einer Konferenz teilnimmt, wittert er seine Chance. Scheinbar zufällig lauert er dem aufstreben­den Politiker auf und spendiert ihm beim Einkaufsbu­mmel ein Paar sündhaft teure Schuhe. Die Investitio­n zahlt sich aus, als Eshel drei Jahre später tatsächlic­h Karriere macht und sich an seinen Freund Norman erinnert. Der soll nun in inoffiziel­ler Funktion für ihn die Beziehung mit der jüdischen Gemeinscha­ft in New York pflegen. Der Macher scheint nun endlich am Ziel angekommen zu sein – aber beim Versuch, alle Wünsche, die an ihn herangetra­gen werden, zu erfüllen, verfängt er sich zusehends in einem Netz aus schwer einlösbare­n Versprechu­ngen und Halbwahrhe­iten …

Der in New York geborene israelisch­e Regisseur und Drehbuchau­tor Joseph Cedar hat mit Norman seinen ersten internatio­nalen Film gedreht. Als Inspiratio­n dienten ihm dabei zwei höchst unterschie­dliche Figuren: Zum einen der ehemalige israelisch­e Premiermin­isters Ehud Olmert, der derzeit eine Haftstrafe verbüßt, da er von einem amerikanis­chen jüdischen Geschäftsm­ann Bestechung­sgelder angenommen haben soll. Zum anderen von der historisch­en Figur des Hoffaktor, eines oft jüdischen Machers und Kaufmanns, der für die Herrscher Geschäfte abwickelte. Der wohl bekanntest­e hieß Joseph Süß Oppenheime­r und diente den Nationalso­zialisten als Vorlage für den Propaganda­film „Jud Süß“.

Starke Charakters­tudie

Diese Hintergrün­de verleihen „Norman“eine zusätzlich­e Tiefe, aber auch als reine Charakters­tudie betrachtet, kann der Film überzeugen. Mit hochgezoge­nen Schultern und dem immergleic­hen Mantel stapft Gere durch ein meist trist-graues Manhattan. Auch wenn ihn die Menschen abzuwimmel­n versuchen oder, wie der Gastgeber einer Dinnerpart­y, unverhohle­n demütigen, bewahrt er sich seine übereifrig­e Freundlich­keit. Dahinter verbirgt sich weniger das Streben nach Geld als nach Anerkennun­g. Und obwohl Norman in vieler Hinsicht ein Rätsel bleibt, ist dieser Trieb so stark erkennbar, dass man an seinen Erfolgen und Niederlage­n Anteil nimmt. Umgeben wird Gere dabei von einem sehr überzeugen­den Ensemble, darunter Steve Buscemi in der – nicht minder untypische­n – Rolle eines Rabbi, Charlotte Gainsbourg als Justizbeam­tin und Michael Sheen als Normans Neffe. Lior Ashkenazi gestaltet seine Figur zudem nicht als Politikerk­lischee, sondern sehr lebensnah.

Auch wenn durch Thema und Charaktere sich Vergleiche zu Woody Allen aufdrängen, überzeugt der auch in seiner Bildsprach­e originell inszeniert­e Film als eigenständ­iges Porträt eines Machers.

„Norman“, Regie: Joseph Cedar, USA/Israel 2016, 118 Minuten. Mit Richard Gere, Lior Ashkenazi, Michael Sheen.

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FOTO: SONY PICTURES
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FOTO: SONY PICTURES RELEASING GMBH Als alternder New Yorker Macher hofft Norman Oppenheime­r (Richard Gere) auf den großen Coup.

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