Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Grüne und CDU uneins über Gülle-Regeln

Minister Peter Hauk fürchtet um Familienbe­triebe, wenn neue Vorgaben kommen

- Von Katja Korf

STUTTGART - Die einen warnen vor einem Bürokratie­monster, die anderen vor erhebliche­n Umweltgefa­hren: Ab 2018 müssen Bauern dokumentie­ren, wie viel Futter oder Dünger sie einkaufen und wie viel Gülle sie ausbringen. Doch die Verordnung droht zu scheitern – auch, weil Baden-Württember­g im Bundesrat nicht zustimmen will.

Es geht um die Stoffstrom­bilanz. Sie ist ab 2018 Pflicht für große landwirtsc­haftliche Betriebe, ab 2023 auch für kleinere. Nach Schätzunge­n des Stuttgarte­r Landwirtsc­haftsminis­teriums wären zunächst rund 1000 Höfe in Baden-Württember­g betroffen, danach alle 10 000 Betriebe. Bauern müssen die Bilanz auf jeden Fall ab Januar aufstellen. Die neue Verordnung soll nun regeln, wie.

Es drohen Bußgelder

Das Ziel: Es soll transparen­t werden, wie viel Stickstoff und Phosphat Landwirte auf ihren Feldern ausbringen. So wird ersichtlic­h, ob Bauern erheblich mehr Nährstoffe erzeugen als sie dem Hof zuführen. Wer Grenzwerte überschrei­tet, muss sich schulen lassen, später drohen empfindlic­he Bußgelder.

Wenn mit der Gülle mehr Nährstoff auf die Felder gelangt, als Pflanzen aufnehmen können, gelangen Nitrate ins Grundwasse­r. Bestimmte Arten vermehren sich explosions­artig und verdrängen andere. Wie gefährlich Nitrat für Menschen ist, ist nicht geklärt. Bestimmte Nitratverb­indungen stehen im Verdacht, Krebs zu erregen.

Am Freitag wollen die Länder nun beschließe­n, nach welchen Regeln Bauern eine Stoffstrom­bilanz aufstellen müssen. Baden-Württember­g wird sich enthalten. Damit könnte die Verordnung komplett im Bundesrat scheitern, denn auch andere Länder sind kritisch.

Baden-Württember­g enthält sich, weil die CDU sich Änderungen verweigert, die grün-rote Länder fordern. Die Grünen wiederum wollen diese. Sind sich die Koalitions­partner uneins, muss sich das Land enthalten.

„Diese Verordnung in der jetzigen Form schafft ein totales Bürokratie­monster, das die Agroindust­rie stärkt und bäuerliche Familienbe­triebe schwächt“, begründete Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) seine Haltung. „Sinn machen diese Vorgaben nur dort, wo der Nitratgeha­lt im Grundwasse­r Grenz-oder Warnwerte überschrei­tet.“Es würden zahlreiche Bauern aufgeben, wenn die Regeln wie geplant in Kraft träten. Vor allem Familienbe­triebe seien betroffen. Diese könnten sich keine Bürokräfte leisten, während große Agrarkonze­rne solche Kosten leichter verkraftet­en.

Der ursprüngli­che Entwurf stammt vom Bundesagra­rminister Christian Schmidt (CSU). Was Hauk so ärgert, dass er nicht zustimmen will: Sein grüner Amtskolleg­e Christian Meyer aus Niedersach­sen will bestimmte Details nicht mittragen und hat Änderungen durchgeset­zt.

Strittig sind Berechnung­smethoden für die Güllemenge­n, die ein Landwirt auf seinen Feldern verteilt. CSU-Minister Schmidt hatte den Landwirten erlaubt, „unvermeidb­are Verluste“von ihrer Güllemenge abzuziehen. So reduziert sich die Gülle etwa, wenn sie gelagert wird und verrottet.

Die Grünen halten die erlaubten Verlustmen­gen für zu hoch. „So verschwind­en zehn bis 15 Prozent im Nirwana“, sagte Niedersach­sens Minister Meyer der „taz“. Ähnlich bewertet dies das Stuttgarte­r Landesumwe­ltminister­ium. „Pauschale Abzüge von bis zu 15 Prozent Stickstoff sind unserer Auffassung wissenscha­ftlich nicht nachvollzi­ehbar“, so ein Sprecher von Minister Franz Unterstell­er (Grüne).

Gegenwind aus Niedersach­sen

Solche Behauptung­en hält BadenWürtt­embergs Minister Hauk für falsch. Er wittert hinter Meyers Vorstoß Taktik für den Landtagswa­hlkampf im Norden und lehnt Änderungen ab. Der Niedersach­se wehrt sich. „Das von Herrn Hauk beklagte ‚Bürokratie­monster‘ ist das Machwerk seiner Parteikoll­egen in Berlin“, so Meyer. Hauk verweigere ausgerechn­et jene Änderungen, die es Bauern leichter machen würden.

Derzeit zeichnet sich unter den Ländern keine Mehrheit für den Entwurf ab. Noch könnte das Thema vertagt werden. Im schlimmste­n Fall müsste aber eine neue Bundesregi­erung eine komplett neue Verordnung vorlegen. Damit müssten die Bauern 2018 eine Stoffstrom­bilanz erstellen, aber niemand wüsste, wie. Hauk sagt dazu: „Dann werde ich eine Handreichu­ng erarbeiten und den Bauern empfehlen, zunächst nichts zu tun, wenn das Grundwasse­r bei ihnen nicht belastet ist.“

Dafür erntet er Kritik. „Herr Hauk ist Minister aller Bürger, nicht nur der Landwirte“, so Jochen Goedecke vom Naturschut­zverband Nabu. Nitrat belaste die Umwelt, es brauche Regeln ohne Ausnahmen.

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FOTO: RASEMANN Gute Nährstoffe, böse Nährstoffe: Nitrat lässt Feldpflanz­en sprießen. Kommt zu viel Gülle auf die Äcker, gelangt Nitrat ins Grundwasse­r.

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