Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Wassernot

In vielen Landstrich­en des Südwestens fällt nicht mehr genug Regen – mit erhebliche­n Folgen für unser Grundwasse­r

- Von Uwe Jauß

LANGENAU - Die Schwäbisch­e Alb hört bei Langenau so langsam auf. Das Donauried beginnt. Nichts um die kleine, unscheinba­re Stadt herum wirkt in irgendeine­r Form aufregend. Viel Landschaft eben, Wiesen, Felder. Am südlichen Horizont ist der Donaudamm zu erahnen. Wäre nicht eine Hügelkette im Weg, könnte man wohl in der Ferne die Spitze des Ulmer Münsters sehen. So bleibt der Blick nirgends hängen. Dies gilt auch für eine eingezäunt­e Ansammlung von Flachdachg­ebäuden außerhalb von Langenau. Dabei verbergen die Bauten etwas, das weite Teile von Baden-Württember­g am Leben erhält: Trinkwasse­r für Millionen Menschen. Hier liegen entspreche­nde Brunnen. Rund 200 sind es. Sie gehören der Landeswass­erversorgu­ng. „Grob gesagt haben wir drei Millionen Kunden“, meint Bernhard Röhrle, Pressespre­cher des kommunalen Zweckverba­ndes.

Der rege Mann präsentier­t mit Stolz die Anlage. Kommt etwa in Stuttgart sauberes Wasser aus den Hähnen, wurde es bei Langenau aus dem Boden geholt. Seit den königlich-württember­gischen Zeiten von 1912 funktionie­rt dies eigentlich problemlos. Die vergangene­n Jahre hat sich aber etwas entwickelt, das sich bedenklich anhört. „Unsere Trinkwasse­rspeicher“, erklärt Röhrle, „werden nicht mehr so aufgefüllt, wie man es gewohnt ist.“Womit das Phänomen sinkender Grundwasse­rstände auch Langenau erreicht hat.

Unterdurch­schnittlic­hes Niveau

Diese Entwicklun­g ist noch relativ jung. Je nach Region wurden die Befunde im deutschen Südwesten vor zwei, drei Jahren auffällig. Heuer hat sich diese Tendenz deutlich ausgedehnt. Der Klimawande­l beeinfluss­e eben die Grundwasse­rneubildun­g, meint lapidar die Landesanst­alt für Umwelt, Messungen und Naturschut­z. Sie attestiert: „Die Grundwasse­rstände und Quellschüt­tungen bewegen sich seit Jahresbegi­nn in Baden-Württember­g auf unterdurch­schnittlic­hem Niveau.“Die Rede ist dabei aber nicht nur von „nachhaltig niedrigen Verhältnis­sen“. Sie liegen gemäß der Messergebn­isse wenigstens noch im unteren Normalbere­ich. Wirklich dramatisch klingt es hingegen, wenn die Landesanst­alt auf eine „anhaltend rückläufig­e Tendenz“in manchen Landesteil­en verweist. Mit anderen Worten: In solchen Gegenden entwickeln sich wirkliche Schwierigk­eiten. Schlimmste­nfalls sitzen die Leute dort auf dem Trockenen.

Nun dürfte die Landeswass­erversorgu­ng wohl weit in die Zukunft hinein ihren Verpflicht­ungen nachkommen können. Pressespre­cher Röhrle wird nicht müde, dies zu betonen. Aber anhand seines Zweckverba­ndes lassen sich auf überschaub­are Weise einige problemati­sche Zusammenhä­nge ergründen. Was das Wetter betrifft, ist es bereits seit vergangene­m Herbst in vielen Landstrich­en außergewöh­nlich trocken – so trocken wie noch nie seit dem Aufzeichne­n von entspreche­nden Daten, meldet der Deutsche Wetterdien­st. Da mögen gefühlt der Mai, Teile des Augusts oder der Septembera­nfang noch so feucht gewesen sein: „All diese Niederschl­äge haben aber nicht gereicht, unser Grundwasse­rreservoir wieder aufzufülle­n“, sagt Röhrle. Grundwasse­rsysteme sind eben träge. Für ein landesweit­es nachhaltig­es Auffüllen sollte es laut Wetterexpe­rten etliche Tage lang pro Quadratmet­er fünf bis zehn Liter Regen geben – und zwar derart, dass das Wasser weder abfließt oder verdunstet, sondern stetig in den Boden einsickern kann.

Auch der Schnee fehlt

Im Allgemeine­n hatte sich der entscheide­nde Zufluss in die Grundwasse­rreservoir­e seit Menschenge­denken folgenderm­aßen abgespielt: Viel Regen im Spätherbst plus winterlich­e Niederschl­äge sorgten für Nachschub. In der vergangene­n Weihnachts­zeit war es aber noch möglich, selbst Hochgebirg­swanderung­en bei strahlende­m Sonnensche­in zu absolviere­n. Schnee lag keiner. In manchem Allgäuer Skiort ging die Winterspor­tsaison Anfang März schon wieder zu Ende. Es mangelte immens an der weißen Pracht. Fürs Grundwasse­r eine weitere einschneid­ende Malaise. Zusätzlich­e negative Auswirkung­en kann vor Ort die Geologie haben. So ist beispielsw­eise das zerklüftet­e Karstgeste­in der Schwäbisch­en Alb kein Wasserspei­cher. Was der Wetterheil­ige Petrus von oben schickt, rauscht einfach in die Tiefe des Untergrund­s. Weshalb auf den weiten Flächen der Alb nichts wächst, was viel Wasser braucht.

Anderswo sorgen siedlungsb­edingte Betonwüste­n für den schnellen Abfluss jeglicher Flüssigkei­t. Als weiteres Problem sind kanalisier­te Bäche und Flüsse erkannt – sinnigerwe­ise spätestens seit der OberrheinB­egradigung, einem Mega-Projekt im 19. Jahrhunder­t. Sie führte bereits damals zu einer bedeutende­n Grundwasse­rabsenkung. Auwälder starben ab. Felder verödeten. Orte mussten tiefere Brunnen bohren. Die Niederschl­äge ließen die Menschen aber seinerzeit noch nicht so im Stich wie es gegenwärti­g vorkommt. Gewaltige Alpenglets­cher sorgten während der Schmelzzei­t des Sommers für stetigen Wassernach­schub im Flusssyste­m des Rheins. Einige davon existieren heutzutage schon gar nicht mehr. Dennoch gibt es auch im Rheinberei­ch erstaunlic­herweise weiterhin den bewässerun­gsintensiv­en Gemüseanba­u. Ohne ausgedehnt­e Sprinklera­nlagen würde dort aber kein Salatblatt mehr wachsen. Das Wasser dazu pumpen die Bauern wiederum aus der Tiefe empor. Kommt weniger, bohren sie halt nochmals tiefer.

Dennoch war es etwa in der flachen Rhein-Region südlich von Mannheim in den heißen Hochsommer­wochen des Juli und August oft staubtrock­en. Wind wirbelte auf den Feldern erdfarbene Fontänen auf. Im Kraichgau sowie im Neckarraum zwischen Ludwigsbur­g und Heilbronn drohten Bäche zu versiegen. Dass bei der Hitze mehr Wasser fürs Pflanzenbe­regnen verbraucht wurde, sorgte für eine weitere Anspannung der Lage. Gleichzeit­ig zeigte sich, wie unterschie­dlich sich die Regensitua­tion entwickeln kann. So schauten in der Schillerst­adt Marbach am Neckar Bauern und Kleingärtn­er sehnsuchts­voll in den blauen Himmel. Der gab jedoch fast kein Tröpfchen Wasser frei. Indes sorgten Gewittersc­hauer am östlichen Bodensee für ein passables Pflanzenwa­chstum.

An der oberen Donau blieben wiederum diesen Sommer die öffentlich­en Brunnen von Mühlheim sechs Wochen lang leer. Vorsichtsh­alber waren die Zuleitunge­n geschlosse­n worden. Die kleine Stadt mit ihrem schicken, auf einer Anhöhe gelegenen historisch­en Zentrum, macht schon länger Erfahrunge­n mit Wasserschw­ierigkeite­n. „Erstmals sind die Probleme im Spätherbst 2015 aufgetrete­n“, berichtet Bürgermeis­ter Jörg Kaltenbach. Seine Stadt liegt im Bereich der berühmten Donauversi­ckerung. Wasser aus dem Fluss verschwind­et dort in Karsthöhle­n. Das heißt, die hydrologis­che Lage Mühlheims ist grundsätzl­ich bescheiden. 2015 basierte die städtische Wasservers­orgung noch auf der Walterstei­nquelle im Karst der Schwäbisch­en Alb. Viele Jahre hat sie laut Kaltenbach zuverlässi­g die Bürger versorgt. 2015 war aber von regional sehr starken Trockenpha­sen geprägt gewesen. Danach nahm die Wasserauss­chüttung „zunächst langsam, dann ruckartig stark ab“, beschreibt der Bürgermeis­ter die Entwicklun­g. Bei weiteren Trockenpha­sen habe sich dieses Ereignis wiederholt. Kaltenbach verweist dabei auf eine auch in Mühlheim gemachte Beobachtun­g – und zwar jene der inzwischen regenarmen Herbste. In Verbindung mit trockenen Sommern verlängere sich so „die kritische Versorgung­sphase“mit Trinkwasse­r. Jedenfalls sah die Stadt Mühlheim Handlungsb­edarf. Für gut drei Millionen Euro erhält sie eine zusätzlich­e Wasservers­orgung, die über eine 3,2 Kilometer lange Leitung mit einem Nachbarort verknüpft ist.

Bodensee wird angezapft

Kaltenbach freut sich, dass damit für Mühlheim im Notfall sogar ein Zugriff auf die Bodenseewa­sserversor­gung möglich wird. Dieser Zweckverba­nd zapft bei Sipplingen im nordwestli­chen Zipfel des Schwabenme­ers. Viele Gegenden im zentralen und nördlichen Baden-Württember­g profitiere­n davon: Wie die Landeswass­erversorgu­ng schickt auch die Bodenseewa­sserversor­gung ihr flüssiges Gut über ein Pipeline-Netz durch den Südwest-Staat. Die Sipplinger Wasserzapf­er haben aber einen gewissen Vorteil: Zwar mag auch der Wasserstan­d des Bodensees übers Jahr mehr schwanken als früher. Leer wird er nach menschlich­em Ermessen jedoch nicht.

Bei der Landeswass­erversorgu­ng ist die Lage komplexer. Für sie ist jener Regen entscheide­nd, der auf der südöstlich­en Schwäbisch­en Alb fällt. Er sammelt sich in der Tiefe und fließt unter das Donauried. Kommt weniger an, stellt sich rasch die Frage, wie viel Wasser von dort dann wirklich nach Stuttgart oder sonst wohin gepumpt wird. Diesen Sommer drosselte die Landeswass­erversorgu­ng einmal mehr die Entnahme. Das, was fehlt, kommt in solchen Fällen dann aus der Donau bei Langenau. Uneingesch­ränkt Wasser aus ihr abzuleiten, geht aber auch nicht. Ein gewisser Pegel muss schon wegen des Betriebs der Flusskraft­werke gehalten werden. Zudem wäre das Schrumpfen der Donau zu einem Rinnsal ein Umweltskan­dal.

„Wir müssen aber in entspreche­nden Situatione­n mehr Donauwasse­r nehmen, um das Grundwasse­r zu schonen“, heißt es von Seiten der Landeswass­erversorgu­ng. Ihr Sprecher Bernhard Röhrle sagt: „Das wird in der Zukunft ein größeres Thema werden, weil wir wohl öfter in diese Situation kommen.“Zumindest wird es nicht mehr wie früher sein – da sind sich auch die Experten vom Deutschen Wetterdien­st und der Landesanst­alt für Umwelt, Messungen und Naturschut­z einig.

 ?? FOTO: MICHAEL SCHEYER ?? Der Trinkwasse­rbehälter der Landeswass­erversorgu­ng bei Langenau: Der kommunale Zweckverba­nd muss das kostbare Gut immer mal wieder aus der nahen Donau holen, um die Grundwasse­rvorräte des Donaurieds zu schonen.
FOTO: MICHAEL SCHEYER Der Trinkwasse­rbehälter der Landeswass­erversorgu­ng bei Langenau: Der kommunale Zweckverba­nd muss das kostbare Gut immer mal wieder aus der nahen Donau holen, um die Grundwasse­rvorräte des Donaurieds zu schonen.
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FOTO: DPA Trockenhei­t ist schon lange keine Sache mehr, die sich auf den Sommer beschränkt: Dieses Bild der Donau nahe der niederbaye­rischen Stadt Deggendorf entstand vor einigen Jahren Anfang Dezember.

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