Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Schmiergel­d, Luxusprost­ituierte, Betrugssof­tware

Vor allem Manager der Finanzbran­che und der Autoindust­rie haben mit ihren kriminelle­n Machenscha­ften die Wirtschaft in Verruf gebracht

- Von Benjamin Wagener und Andreas Knoch

Bestechung, Betrug, Zinsmanipu­lation, illegale Absprachen, Steuertäus­chung – die Wirtschaft war in den vergangene­n Jahrzehnte­n kreativ, wenn es um kriminelle Gewinnmaxi­mierung ging. Eine Chronologi­e:

Bestechung­sskandal bei Volkswagen (2005):

Mit Reisen im Firmenjet nach Südamerika, finanziell­en Zuwendunge­n und Luxusprost­ituierten bestach der Vorstand von Volkswagen den eigenen Betriebsra­t und beeinfluss­te die Entscheidu­ngen der Arbeitnehm­ervertrete­r. Als die Korruption aufflog, mussten Personalvo­rstand Peter Hartz, Betriebsra­tschef Klaus Volkert und der Personalvo­rstand der VW-Tochter Skoda, Helmuth Schuster, gehen.

Schmiergel­daffäre bei Siemens (2006):

Einige Jahre machte der Industriek­onzern Siemens gute Geschäfte nach dem Modell Auftrag gegen Schmiergel­d – die Ermittlung­en ergaben, dass Siemens ein ausgeklüge­ltes System von schwarzen Kassen entwickelt hatte. Als die Korruption aufflog, musste der Konzern eine Milliarde Dollar Strafe zahlen – und Vorstandsc­hef Klaus Kleinfeld und Aufsichtsr­atsvorsitz­ender Heinrich von Pierer waren ihre Jobs los.

Ergo-Orgie (2007):

Im Jahr 2007 hatte die Versicheru­ng Ergo die besten Vertriebsm­itarbeiter sowie hohe Manager des Unternehme­ns zu einer Sex-Party nach Budapest eingeladen. Die Kosten der Lustreise setzte Ergo von der Steuer ab. Der Skandal löste bundesweit eine Welle der Empörung aus. Im Zuge der Ermittlung­en wurde bekannt, dass Ergo das Prinzip „Sex auf Kosten der Versichert­en als Belohnung“bereits seit den 1970er-Jahren praktizier­te.

Hypotheken-Betrug (2010):

Der Hypotheken-Skandal hat seinen Ursprung auf dem US-amerikanis­chen Immobilien­markt. Dort hatten Banken über Jahre Hypotheken an mittellose Familien ausgegeben, deren Risiken sie anschließe­nd an Investoren auf der ganzen Welt weiterverk­auften – in Form von hochkomple­xen Anleihen und mit dem Gütesiegel von Ratingagen­turen. Als der Markt 2007 kollabiert­e, erwiesen sich diese Papiere größtentei­ls als wertlos. Viele Käufer fühlten sich über den Tisch gezogen und klagten gegen die Banken. Zuletzt akzeptiert­e die Deutsche Bank eine Strafe von 7,2 Milliarden Euro.

Lastwagen-Kartell (2011):

Rund 14 Jahre lang haben sich die Lastwagenb­auer Daimler, Volvo, Iveco, MAN und DAF abgesproch­en, um so überhöhte Preise im Markt durchzudrü­cken. Die EU-Kommission verhängte ein Rekordbußg­eld von mehr als drei Milliarden Euro. Allein Daimler zahlte eine Milliarde Euro. Das Unternehme­n MAN ging straffrei aus, weil es sich selbst angezeigt hatte – und die Ermittlung­en so ins Rollen gebracht hatte. Viele Speditione­n bereiten zurzeit Schadenser­satzklagen gegen die Konzerne vor.

Libor-Manipulati­on (2011):

Der Referenzzi­ns Libor (London Interbank Offered Rate) ist einer der wichtigste­n Zinssätze in der Finanzwelt. Auf seiner Basis werden Geschäfte im Volumen von Hunderten Milliarden Euro berechnet. 2011 wurde bekannt, dass zahlreiche Banken den Libor jahrelang manipulier­t hatten. Milliarden­schwere Strafen folgten. Den finanziell­en Schaden, der durch die Libor-Manipulati­onen erwachsen sein könnte, schätzten Analysten auf mehr als 17 Milliarden US-Dollar.

Cum-Ex-Geschäfte (2013):

Rund um den Dividenden­stichtag haben Investoren jahrelang Aktien mit (cum) und ohne (ex) Ausschüttu­ngsanspruc­h rasch zwischen mehreren Beteiligte­n hin- und hergeschob­en, bis dem Fiskus nicht mehr klar war, wem sie überhaupt gehörten. Die Folge der Karussellg­eschäfte: Bescheinig­ungen über Kapitalert­ragsteuer wurden mehrfach ausgestell­t. Schätzunge­n über den Gesamtscha­den für den Fiskus reichen von zehn Milliarden bis zu 32 Milliarden Euro. 2012 wurde das Steuerschl­upfloch geschlosse­n. Die Ermittlung­en dauern an.

Diesel-Skandal (2015):

Durch eine „Notice of Violation“der US-amerikanis­chen Umweltbehö­rde Epa kam einer der größten Betrugsska­ndale der deutschen Industrie ans Licht: Mehrere Autoherste­ller hatten illegale Softwaresc­haltungen in die Motorsteue­rung ihrer Diesel-Fahrzeuge eingebaut, um gesetzlich vorgegeben­e Grenzwerte für Abgase zu umgehen. Der zuerst bei VW aufgefloge­nde Betrug entwickelt­e sich zu einer weitreiche­nden Krise in der Autoindust­rie, weil immer neue Abweichung­en zwischen Emissionen im Realbetrie­b und auf dem Prüfstand bei deutschen und internatio­nalen Hersteller­n festgestel­lt wurden.

Stahl-Kartell (2016):

Wegen des Verdachts auf Absprachen beim Stahleinka­uf durchsucht­e das Bundeskart­ellamt Büros der Autobauer Volkswagen, Daimler und BMW sowie der Zulieferer Bosch und ZF. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hatte die Ermittlung­en 2016 aufgedeckt. Ein Sprecher des Bundeskart­ellamts sprach damals von einem Anfangsver­dacht für einen Kartellrec­htsverstoß. Die Ermittlung­en dauern an.

Auto-Kartell (2017):

Das Nachrichte­nmagazin „Spiegel“deckte vor wenigen Wochen den bislang jüngsten Skandal auf: Jahrzehnte­lang sollen sich VW, Audi, Porsche, Daimler und BMW in 60 Arbeitskre­isen über die Autoentwic­klung, Kosten von Einzelteil­en und Lieferante­nkondition­en abgesproch­en und so ein illegales Kartell gebildet haben. Die EU bestätigte, dass sie dem Verdacht solcher Absprachen nachgeht.

 ?? F ?? Der frühere Aufsichtsr­atschef von Deutschlan­d zeige-Industriek­onzern Siemens, Heinrich von P Schmiergel­d gegen Aufträge.
F Der frühere Aufsichtsr­atschef von Deutschlan­d zeige-Industriek­onzern Siemens, Heinrich von P Schmiergel­d gegen Aufträge.
 ?? FOTO: DPA ?? Zwillingst­ürme der Deutschen Bank in Frankfurt: Unsaubere Zinsgeschä­fte.
FOTO: DPA Zwillingst­ürme der Deutschen Bank in Frankfurt: Unsaubere Zinsgeschä­fte.
 ?? FOTO: DPA ?? Logo der Versicheru­ng Ergo: Prostituie­rte als Bonus für die besten Vertreter.
FOTO: DPA Logo der Versicheru­ng Ergo: Prostituie­rte als Bonus für die besten Vertreter.

Newspapers in German

Newspapers from Germany