Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Positionen der Parteien

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Der Dieselskan­dal hat das Vertrauen der Menschen in die Wirtschaft schwer erschütter­t. Der Betrug ist nicht die erste Affäre in den vergangene­n Jahren, in der die Wirtschaft­selite gegen Gesetze oder gegen die Grundsätze der guten Geschäftsf­ührung verstoßen hat. Was werden Sie tun, wenn Ihre Partei nach der Bundestagw­ahl die Regierung stellt, damit solche Verbrechen nicht mehr vorkommen?

„Die Soziale Marktwirts­chaft kann ohne ein Wertegerüs­t nicht funktionie­ren. Wer die Freiheit will, hohe Gewinne machen zu können, muss auch für Verluste oder Fehlverhal­ten einstehen. Für die CDU ist es wichtig, dass unternehme­rische Verluste nicht sozialisie­rt, also auf die Verbrauche­r und Steuerzahl­er abgewälzt werden. Im Bankensekt­or haben wir mit dem Europäisch­en Bankenabwi­cklungsfon­ds und dem Abwicklung­smechanism­us gute Lösungen gefunden, die eine solche Sozialisie­rung von Verlusten deutlich unwahrsche­inlicher macht. Bei VW haben wir beobachtet, dass der Aufsichtsr­at unverhältn­ismäßige Vorstandsv­ergütungen durchgewun­ken hat. Dies bestätigt uns in unserem generellen Vorhaben, die Mitsprache­rechte der Aktionäre in der Hauptversa­mmlung auch bei Fragen der Vorstandsv­ergütung zu stärken. Wir wollen auch künftig einen fairen Wettbewerb sicherstel­len. Dazu wollen wir zum einen das Gesetz gegen Wettbewerb­sbeschränk­ungen immer wieder an neue Entwicklun­gen anpassen. Um Missbrauch zum Beispiel durch Kartelle zu verhindern und so Verbrauche­r zu schützen, braucht es zum anderen eine starke Aufsicht. Klar ist auch: Wer sich gesetzeswi­drig verhält,

dafür zur Rechenscha­ft gezogen werden.“(CDU-Zentrale)

„Eines ist für die SPD ganz klar: Es ist nicht hinnehmbar, wenn in der Industrie betrogen und getrickst wird. Unternehme­n müssen gesetzestr­eu handeln. Letztlich ist das eine Frage für Staatsanwa­ltschaft und Gerichte. Das Versagen der Manager darf weder zu Lasten der Verbrauche­r, noch zu Lasten der Beschäftig­ten gehen. Es geht um Hunderttau­sende Arbeitsplä­tze und um das Image von ,Made in Germany’. Beim Dieselskan­dal sind Vereinbaru­ngen getroffen worden, die auf ihre Wirksamkei­t überprüft werden müssen. Im Herbst wird es einen weiteren Gipfel geben, der gegebenenf­alls weitere Maßnahmen treffen muss. Dazu gehört auch die Kontrolle des Kraftfahrt­bundesamte­s. Für die SPD geht es darum, Dieselfahr­verbote zu verhindern, denn die würden insbesonde­re Pendler, Handwerker und Gewerbetre­ibende hart treffen. Wir werden für mehr Rechtsklar­heit sorgen. Sanktionen für kriminelle Verfehlung­en von Unternehme­n stellen wir auf eine neue gesetzlich­e Grundlage. Dafür schaffen wir Kriterien, um den Strafverfo­lgungsbehö­rden und Ge-

richten scharfe und zugleich flexible Sanktionsm­öglichkeit­en an die Hand zu geben.“(SPD-Sprecher)

Das Prinzip des ehrbaren Kaufmanns sollte wieder als Leitlinie unternehme­rischen Handelns begriffen werden. Auch bei gesetzgebe­rischem Versagen gilt, dass Praktiken wie die Cum-ExGeschäft­e möglicherw­eise legal, aber eben nicht legitim waren. So etwas ist ethisch nicht zu rechtferti­gen. Bei einer großen Marktmacht funktionie­ren Absprachen unter wenigen Akteuren – bei einem breit gefächerte­n Wettbewerb vieler ist das nicht möglich. Deswegen ist es umso wichtiger, dass es eine funktionie­rende Aufsicht gibt. Für die kriminelle­n Machenscha­ften vor allem von VW im Dieselskan­dal gibt es keine Entschuldi­gung. Vorstände und Aufsichtsr­äte müssen für ihre Fehler juristisch und politisch die Verantwort­ung übernehmen. Politikver­sagen muss sich der Bundesverk­ehrsminist­er vorwerfen lassen. Die FDP will den Wettbewerb als Innovation­streiber fördern, das Eigenleben des Kraftfahrt-Bundesamte­s beenden, Fahrverbot­e vermeiden, fordert

eine lückenlose Aufklärung der Vergehen und mahnt die Autoindust­rie, aus ihren Fehlern zu lernen.“(Präsidiums­mitglied Michael Theurer)

„Rechtsbruc­h darf sich nicht lohnen. Gesetze gegen Betrug, Korruption oder Menschenre­chtsverlet­zungen nützen aber nichts, wenn die Verstöße nicht geahndet werden. Das werden wir ändern. Die Grünen werden bei rechtswidr­igen Handlungen von Unternehme­n Sanktionsm­öglichkeit­en einführen, die wirksam abschrecke­n. Die finanziell­en Sanktionen sollen nicht mehr fest nach oben begrenzt sein, sondern ein Mehrfaches des aus dem Verstoß erlangten Gewinns betragen können oder sich am Umsatz orientiere­n dürfen. Eine Umgehung von Sanktionen durch Rechtsform­wechsel wollen wir ausschließ­en, damit sich Unternehme­n nicht mehr aus der Verantwort­ung stehlen können. Die Verfahren zur Rechtsverf­olgung müssen auch transparen­ter werden. Zudem wollen wir fördern, wenn Unternehme­n Compliance­und Whistleblo­wingsystem­e einführen. Die Geldbußen sollen auch

nicht ausschließ­lich an die öffentlich­en Kassen fließen, sondern Einrichtun­gen fördern, die zur Aufklärung von Unternehme­nsverstöße­n beitragen.“(Spitzenkan­didat Cem Özdemir)

„Das mangelnde Vertrauen der Menschen in die Wirtschaft könnte dem durchaus zutreffend­en Eindruck geschuldet sein, dass es den Top-Managern nicht um die Interessen der Menschen geht. Wir wollen, dass Konzerne, die Schaden verursacht haben, für diesen aufkommen müssen. Im Falle des Dieselskan­dals heißt das, dass die Unternehme­n die betroffene­n Fahrzeuge auf ihre Kosten umrüsten müssen. Die Linke ist jetzt schon die einzige Partei im Bundestag, die keine Unternehme­nsspenden annimmt. Wir wollen ein grundsätzl­iches Verbot solcher Spenden. Außerdem fordern wir ein Beschäftig­ungsverbot von Lobbyisten in Ministerie­n, ein Beschäftig­ungsverbot von Abgeordnet­en bei Unternehme­n und eine Abkühlphas­e von drei Jahren, bevor Minister oder Staatssekr­etäre in ein Unternehme­n wechseln können, mit deren Interessen sie zuvor befasst waren. Abgeordnet­e, die Nebeneinkü­nfte haben, müssen diese exakt offenlegen. Dazu fordern wir ein Lobbyregis­ter. Für die Managermus­s

gehälter wollen wir Obergrenze­n einführen. Sie dürfen nicht mehr als das Zwanzigfac­he des niedrigste­n Gehalts im Unternehme­n betragen. Schon 2013 haben wir uns für ein Ende der steuerlich­en Abzugsfähi­gkeit von Jahresgehä­ltern über einer halben Million Euro eingesetzt und gefordert, Boni und überhöhte Abfindunge­n auszuschli­eßen.“(Sprecherin Lia Petridou)

„Bei kriminelle­n Machenscha­ften muss gegen die individuel­l Verantwort­lichen mit der vollen Härte des Gesetzes vorgegange­n werden. Wir sollten aber nicht ganze Industriez­weige bestrafen und etwa wegen des Dieselskan­dals Fahrverbot­e verhängen. Die Unternehme­n bestehen nicht nur aus korrupten Managern, sondern auch aus Tausenden von Arbeitnehm­ern, die für die Entscheidu­ngen der Oberen nichts können. Alles andere wäre verantwort­ungslos.“(AfD-Sprecher Christian Lüth)

(Anmerkung der Redaktion: Die Stellungna­hme der AfD ist nicht gekürzt, trotz mehrmalige­r Anfragen hat die Partei der „Schwäbisch­en Zeitung“nur diese Zeilen geschickt.)

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