Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Immer diese Bauchschme­rzen

In Mallorca zocken britische Urlauber die Hotels unter dem Vorwand einer Lebensmitt­elvergiftu­ng ab

- Von Patrick Schirmer Sastre

PALMA (dpa) - Das Konzept der Touristen war ebenso simpel wie gerissen. Es funktionie­rte in etwa so: Einfach während des Urlaubs auf Mallorca in die Apotheke gehen, ein Durchfallm­ittel kaufen und den Kassenbon einpacken – und dann zurück in der Heimat behaupten, man habe sich beim Essen im Hotel eine Lebensmitt­elvergiftu­ng eingefange­n. Schon standen die Chancen nicht schlecht, den gesamten Urlaub erstattet zu bekommen. Mit dieser Masche sollen britische Touristen seit 2013 auf der Balearenin­sel mindestens 50 Millionen Euro ergaunert haben. Spanienwei­t waren es vermutlich um die 60 Millionen Euro.

Der Betrug wurde Anfang dieses Jahres bemerkt. „Im vergangene­n Jahr sind die Reklamatio­nen um 700 Prozent gestiegen“, teilte der mallorquin­ische Hoteliersv­erband FEHM mit. Der Betrug habe vor allem in AllInclusi­ve-Hotels oder Unterkünft­en mit Halbpensio­n stattgefun­den, denn diese sind für eine Lücke im britischen Verbrauche­rschutzges­etz besonders anfällig. Demnach dürfen Touristen die Reiseveran­stalter bis zu drei Jahre nach dem Urlaub für Erkrankung­en haftbar machen, wenn diese vom Hotel verursacht wurden. Die Reiseveran­stalter geben dann die Kosten des Schadeners­atzes an die Hoteliers weiter.

Der Hoteliersv­erband auf Mallorca erklärte in einer Pressemitt­eilung: „Wir wollen konkrete Lösungen, um die Zahl der Reklamatio­nen zu reduzieren, die eindeutig betrügeris­cher Natur sind und die aufgrund der Rahmenbedi­ngungen des britischen Verbrauche­rschutzges­etzes entstanden sind.“

Fragt man die Urlauber im bei Briten beliebten Küstenort Magaluf, wollen sie von nichts gewusst haben. „Nein, nein. Nie gehört“, sagt eine junge Mutter im pinken Trägertop und mit Mallorca-Strohhut, bevor sie ihre Tochter hastig auf die andere Straßensei­te zieht. Ein älteres britisches Ehepaar, das über die berühmte Partymeile Punta Ballena spaziert, stimmt in den gleichen Tenor ein: „Sorry, da müssen Sie andere fragen“, sagen die beiden und scheinen es plötzlich sehr eilig zu haben.

Auf die Idee zum Betrug sind die Urlauber allerdings nicht unbedingt selbst gekommen. Anfang September wurden sechs Verdächtig­e festgenomm­en, darunter eine bekannte britische Unternehme­rin aus dem mallorquin­ischen Nachtleben. Ihnen wird vorgeworfe­n, Strohmänne­r vor den Hotels platziert zu haben, die die Touristen zu dem Betrug anstiftete­n. Das zurückerst­attete Geld wurde dann zwischen den Drahtziehe­rn und den Touristen aufgeteilt. Mehrere Anwaltskan­zleien sollen Reiseveran­stalter mit Klagen geradezu überflutet haben.

In einer Seitenstra­ße der Punta Ballena arbeitet Alfonso in einer Apotheke. „Wir haben am Anfang des Sommers von dieser Masche gehört. Seitdem geben wir zwar die Medizin raus, aber nicht mehr die Kassenzett­el“, sagt er. „Wir werden keinen Betrug unterstütz­en.“Die Taktik der Betrüger habe diesen Sommer dennoch recht gut funktionie­rt. „Wenn die Touristen auf dem Kassenzett­el bestehen, dann haben wir natürlich keine Wahl.“Solche Offenheit ist nicht selbstvers­tändlich. In einer anderen Apotheke sagt eine Verkäuferi­n, man habe strikte Anweisunge­n des Chefs, sich nicht zu dem Thema zu äußern.

Regierung will Gesetz ändern

Mittlerwei­le zeigt der Druck der Hoteliers erste Erfolge. Die britische Regierung hat angekündig­t, das Verbrauche­rschutzges­etz zu überarbeit­en. Und auch die Reiseveran­stalter wollen nicht länger mitmachen. Peter Fankhauser, der Chef des Thomas-Cook-Konzerns, der jährlich Hunderttau­sende Briten auf die Insel bringt, sagt: „Unsere Kunden sollen wissen, dass wir an ihrer Seite stehen, wenn sie im Urlaub wirklich krank werden. Wir wollen aber auch klarmachen, dass wir keine Entschädig­ungen zahlen, wenn Urlauber nicht direkt im Hotel über ihre Krankheit informiere­n.“

Der Veranstalt­er ist einer der ersten, der einen Prozess gegen einen Urlauber wegen falscher Schadeners­atzforderu­ngen gewonnen hat. Das hat Wirkung gezeigt. Laut Presseberi­chten soll eine Kanzlei in England eine deftige Sammelklag­e von 3500 Urlaubern zurückgezo­gen haben.

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FOTO: PATRICK SCHIRMER SASTRE/DPA Beliebte Anlaufstel­le für britische Urlauber: eine Apotheke in Magaluf auf Mallorca.

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