Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die Mohrenwirtin Ida Braun war die Seele des Hauses
Ziemlich erschüttert stehe ich vor dem abgebrochenen „Mohren“. Als literarischem Menschen kommen mir ad hac die ersten Zeilen von Rilkes Königslied in den Sinn: „Darfst das Leben mit Würde ertragen nur die Kleinlichen macht es klein; Bettler können dir Bruder sagen, und du kannst doch ein König sein.“Und gleichzeitig ist da auch die Erinnerung an die unvergessene Altwirtin Ida Braun, resolut, aber eine Seele von Mensch. Vielen Schülern des Internats St. Gerhard war sie einst Anlaufstelle als eine Art Ersatzmutter, darunter auch etliche aus meiner Heimatgemeinde Hauenstein in der Pfalz. Auch Riedlinger Bürgerskinder hat sie oft in den Ferien beherbergt, während die Eltern im Urlaub waren. Stets fleißig und besorgt im Haus und Hof zauberte sie mit ihrem Team die wunderbarsten Wildgerichte auf den Tisch, von denen man heute noch träumen kann. Sie war die Seele des Hauses, konnte allerdings auch schon einmal, wenn etwas nicht klappte, einem ihrer Angestellten zornig nachspringen und diesem/dieser den Schuh in den Allerwertesten treten. Bei soviel, nun im Nachhinein vergeblichem, Engagement kommt mir doch auch die Sinnfrage „wozu?“in den Kopf – und ich finde keine Antwort außer den Gedichtzeilen von Rilke. Hier geht es um den Seelenreichtum – und den hat Ida Braun besessen. Das ist mir ein Trost! Ilse Jäger, Riedlingen