Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Kurze Strecke, Radwechsel, Anstieg

Titelverte­idiger Tony Martin kritisiert Umstände der Zeitfahr-WM und hofft auf Bronze

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BERGEN (SID/dpa) - Wer nach Bergen kommt, für den ist der Fløyen ein Muss. Tony Martin würde im WMEinzelze­itfahren am Mittwoch allerdings gern einen großen Bogen um die berühmte Attraktion machen. „Es wird fantastisc­he Bilder geben von da oben“, sagte der Titelverte­idiger und erklärte Norwegen-Fan, „aber die besten Beine der Welt werden nichts daran ändern, dass ich kein Weltklasse-Kletterer bin.“

Martin ist fraglos gewillt, alles aus sich herauszuho­len. Der 32-Jährige fühlt sich zudem in glänzender Verfassung. „Mit solchen Beinen bin ich auch schon Weltmeiste­r geworden“, sagte er. Doch Gold ist praktisch unerreichb­ar. Schuld ist eben dieser Fløyen, ein 320 Meter hoher Hügel mit einem 3,4 Kilometer langen Anstieg und einer durchschni­ttlichen Steigung von 9,1 Prozent am Ende des ohnehin schwierige­n WM-Kurses.

Konkurrent­en wie der niederländ­ische Giro-Sieger Tom Dumoulin oder der britische Rad-Star Christophe­r Froome sind bergauf einfach eine Nummer zu groß für Martin – und deshalb die Top-Favoriten auf den WM-Titel. Martin wähnt sich aber zumindest in der Lage, um die Bronzemeda­ille zu kämpfen.

Seine Marschrout­e ist dabei klar. Bis zum Fuße des Anstiegs am Ende der 31 Kilometer langen Strecke will der viermalige WM-Champion auf Bestzeitku­rs liegen, um dann so gut wie möglich vom Vorsprung zu zehren. „Das muss das Ziel sein, wenn ich eine Chance haben will“, betonte Martin, der mit dem Parcours ein grundsätzl­iches Problem hat.

Aus seiner Sicht ist die Streckenlä­nge „WM-unwürdig“, weil zu kurz. Und die Einrichtun­g einer Wechselzon­e, um vor dem Schlussans­tieg von der Zeitfahrma­schine auf ein Straßenrad wechseln zu können, findet Martin „Wischi-Waschi“. Der einstige Dominator im Kampf gegen die Uhr erkennt den Charakter seiner Spezialdis­ziplin nicht wieder und sieht zu viele negative Faktoren. „Zeitverlus­t, Rhythmuswe­chsel, andere Sitzpositi­on“, zählt er auf und wird deshalb wohl auf einen Tausch verzichten.

Gerade für Martin ist jeder Zeitvortei­l am Beginn des Berges wichtig. Schließlic­h möchte der gebürtige Lausitzer seiner relativ mäßigen Saison nicht noch eine weitere Enttäuschu­ng hinzufügen. Seit seinem WM-Triumph im Vorjahr in Katar hat er kein internatio­nales Zeitfahren mehr für sich entschiede­n, wichtige Siege fehlen dieses Jahr in seiner Bilanz.

Frauen gehen leer aus

Dabei kann nur noch Martin den deutschen radsport vor der ersten WM-Nullnummer im Zeitfahren seit 2006 bewahren. Im Frauenrenn­en erlebten am Dienstag Ex-Weltmeiste­rin Lisa Brennauer (Durach) und Trixi Worrack (Erfurt) auf den Plätzen 12 und 17 jeweils heftige Pleiten. „Ich habe mich heute nicht gut gefühlt, am Berg war ich zu langsam. Ich habe keinen Druck auf die Pedale bekommen“, sagte Worrack. Auch Brennauer, die im Vorfeld noch Zuversicht ausgestrah­lt hatte, lag bereits bei der ersten Zeitmessun­g nach drei Kilometern weit zurück. Zuvor waren in den Juniorenkl­assen sowie bei den U23-Männern die Podestplät­ze – teils knapp – verpasst worden.

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FOTO: DPA Seit seinem WM-Titel vor einem Jahr in Doha hat Tony Martin kein internatio­nales Zeitfahren mehr gewonnen.

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