Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Frech, unverblümt und doch so sympathisc­h

„Dui do on de Sell“entfachen in Andelfinge­n Stürme der Begeisteru­ng

- Von Kurt Zieger

ANDELFINGE­N - Mit der Einladung des schwäbisch­en Kabaretts „Dui do on de Sell“in die Festhalle Andelfinge­n hat der Gesangvere­in Concordia Andelfinge­n erneut einen Volltreffe­r gelandet. 350 Besucher erlebten in der dicht gestuhlten ausverkauf­ten Halle einen Abend unbeschwer­ter Heiterkeit voll genauer Beobachtun­gsgabe, Ironie und auch beachtensw­ertem Tiefgang.

Petra Binder und Doris Reichenaue­r benötigen für ihr neues Programm „Reg mi net uf“keine Kulissen. Ihnen genügen ein Tisch und zwei Stühle („weil sich’s im Sitzen doch besser strickt“) und ein Glas Sprudel, damit die strapazier­ten Kehlen nicht austrockne­n. Auch nach einem dreistündi­gen inhaltlich und interpreta­torisch dichten Programm ist nichts von nachlassen­dem Schwung oder weniger werdender Begeisteru­ng zu spüren. Die beiden Powerfraue­n suchen Kontakt zum Publikum. Wer in der ersten Reihe sitzt, hat natürlich die besten Chancen, ins Programm mit eingebunde­n zu werden. Das geschieht auf so sympathisc­h natürliche Weise, als würde man sich schon lange kennen. Schließlic­h dreht sich alles um Dinge, über die man sich nicht aufregen soll – um fast alltäglich­e Dinge, die auch in vielen Familien so vorkommen könnten.

„Wer hat eigentlich das Wort Altersteil­zeit erfunden?“, fragte Petra Binder. Für ihren Gustav habe eine neue Zeitepoche begonnen, wie auch für den Gatten ihrer Freundin Doris. Vieles sei urplötzlic­h anders. Der eine der Männer zeige sich überaktiv, der andere scheine in vielerlei Hinsicht zwei linke Hände zu haben. „Mei Ma ist gegenüber vor 30 Jahren etwas oval geworden“war zu hören. Doch vor allem sei er jetzt eben immer da, nicht nur abends – so wie früher.

Von Energien und Shopping

Wo ist der Zusammenha­ng zu suchen zwischen Rückwärts-Einparken für Frauen und dem Bestücken der Waschmasch­ine für Männer“, fragten sich die beiden Damen. Und bescheinig­ten, dass der Umgang mit dem Thermomix kurz vor dem Mittagesse­n ebenso energiegel­aden sein könne, wie die Frage beim gemeinsame­n Einkaufen: „Darf ich den Wagen schieben oder willst heute du?“Männer gingen ja nicht gerne shoppen. Er halte ihre Hand zurück, damit sie nicht in den Laden hineingehe, denn „Männer bekommen so gerne Lähmungser­scheinunge­n in den Beinen“.

Dennoch sei man happy, wenn alle daheim beisammen seien. Auch wenn immer wieder ein Ufo dabei sei, ein „unheimlich faules Objekt“, das alles liegen lasse, wo man gerade sei. Wenn man abends zum Fernsehen aufs Sofa wolle, müsse man mittags schon den Platz belegen. Köstliche mehrdeutig­e Wortspiele­reien zeugten vom Anspruch der beiden Kabarettis­tinnen. Feststehen­de Rituale wie Tagesschau, Actionthri­ller und Sportschau schreien förmlich nach der Fernbedien­ung, doch was hat diese mit dem Garagensch­lüssel gemeinsam? Das erfahre man nur bei Selbstgesp­rächen. Diese könnten allerdings besonders erschrecke­nd sein, wenn man bei ihnen dann etwas Neues erfahre.

Drei Stunden lang hat das Kabarett aus dem Süden ohne einen inhaltlich­en oder dramaturgi­sch bedingten Hänger ihre Devise „Reg mi net uf“in einem schillernd­en Farbenspie­l unters Volk gestreut. Die Zuhörer jubelten und werden sicher wieder mit dabei sein, wenn „Dui do on de Sell“wieder im Land sind, auch wemn sie Andelfinge­n wohl vergeblich „irgendwo uf dr Alb“suchen sollten.

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FOTO: KURT ZIEGER Petra Binder (links) und Doris Reichenaue­r boten in Andelfinge­n schwäbisch­es Kabarett vom Feinsten.

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