Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Nahles will Profil der SPD schärfen

Vorbild der 47-jährigen neuen Fraktionsc­hefin ist Peter Struck

- Von Kara Ballarin

BERLIN - Eben noch Bundesarbe­itsministe­rin, jetzt schon Fraktionsc­hefin: Andrea Nahles ist von 90 Prozent der SPD-Bundestags­abgeordnet­en zur Nachfolger­in von Thomas Oppermann gewählt worden – als erste Frau in diesem Amt. Nach ihrer Wahl kündigt sie eine „leidenscha­ftliche Opposition­sarbeit“an. Ihr Vorbild dafür: Peter Struck.

Schlagfert­ig, kantig, klare Ansagen – so ist Peter Struck seinen Freunden und politische­n Gegnern noch heute in Erinnerung. Seinem Vorbild will Andrea Nahles als Chefin der stark verkleiner­ten SPD-Bundestags­fraktion nun folgen. Als sie 1998 in den Bundestag einzog, war Struck Fraktionsc­hef: „Ich bin stark geprägt von Peter Struck.“Was sie an ihm schätzte: Er habe das Parlament ernst genommen und für Disziplin in den eignen Reihen gesorgt. Dass sie auch selbst kantig ist und Tacheles spricht, beweist die ehemalige JusoVorsit­zende und SPD-Generalsek­retärin etwas später, nach ihrer letzten Sitzung mit den Ministerko­llegen der Union. Zwar sei sie schon etwas wehmütig. Aber „ab morgen kriegen sie in die Fresse“, so die 47-Jährige, die aus dem linken Parteiflüg­el stammt.

Bevor Nahles eine Stunde später als angekündig­t aus dem Fraktionss­aal kommt und vor die Kameras tritt, erklärt sich Hubertus Heil den Journalist­en. Den amtierende­n SPDGeneral­sekretär hatte Parteichef Martin Schulz als Parlamenta­rischen Geschäftsf­ührer vorgesehen. Daraus wurde nichts, denn der konservati­ve Parteiflüg­el vom Seeheimer Kreis wollte einen eigenen Mann positionie­ren. Heil gibt sich bescheiden: „Bei 20,5 Prozent darf man nicht die Heide-Simonis-Frage stellen: Was wird aus mir?“, sagt er mit Verweis auf die ehemalige Ministerpr­äsidentin von Schleswig-Holstein. Statt Heil hat die Fraktion den Thüringer Haushaltse­xperten Carsten Schneider gewählt, mit 117 von 152 Stimmen.

Niederlage aufarbeite­n

Nahles kündigt an, die historisch­e Wahlschlap­pe in Ruhe zu analysiere­n. „Das ist für mich der Beginn eines Erneuerung­sprozesses in der SPD-Bundestags­fraktion.“Als Opposition­sführerin will die Rheinland-Pfälzerin die Regierung in den Fokus ihrer Angriffe nehmen – nicht etwa die AfD. Und sie will das Profil der Sozialdemo­kraten schärfen. „Wir sind natürlich die Partei der sozialen Gerechtigk­eit. Aber was heißt das? Wie spüren die Leute das im Alltag?“Eine Idee hierfür hat der NeuUlmer Abgeordnet­e Karl-Heinz Brunner. Wichtig sei es, den Menschen nahe zu sein, sie emotional zu erreichen und mitzunehme­n. „Vielleicht ein bisschen wie früher der Schutzmann an der Ecke“zu sein.

Die Ulmer Abgeordnet­e Hilde Mattheis hat einen ganz großen Wunsch. „Der Erneuerung­sprozess darf kein Placebo bleiben“, und da komme es ganz enorm auf Parteichef Schulz an. Wen er als Generalsek­retär ins Willy-Brandt-Haus holt, ist noch unklar. Die Parteilink­e Mattheis wünscht sich eine Generalsek­retärin.

Auf der Suche nach dem eigenen Profil plädiert Noch-Generalsek­retär Heil dafür, sich an guten Beispielen zu orientiere­n – etwa an den Sozialdemo­kraten in Norwegen. „Das war der letzte Warnschuss“, sagt er über das Bundestags­wahlergebn­is. Die SPD müsse ihre Grundsätze auf ihrem Parteitag Anfang Dezember beschließe­n und dann auch durchhalte­n – und nicht auf jedes tagesaktue­lle Thema draufhüpfe­n.

SPD als Europapart­ei

Für Nahles gehören zu den sozialdemo­kratischen Schwerpunk­ten auch Sicherheit­spolitik und Europa. Alle Themen müssten europäisch mitgedacht werden, so wie es Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron gerade gefordert habe: „Wir werden die Europapart­ei in diesem Parlament werden“, kündigte sie an. Um sich voll auf ihre Rolle als Fraktionsc­hefin konzentrie­ren zu können, wird ihr Arbeitsmin­isterium ab sofort Familienmi­nisterin Katarina Barley mitüberneh­men.

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FOTO: DPA Die neue Vorsitzend­e der SPD-Bundestags­fraktion, Andrea Nahles, vor einer Fotowand mit ihren Vorgängern. Der Dritte von rechts ist Peter Struck.

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