Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Törggelen hat erst mal nichts mit torkeln zu tun

In Südtirol beginnt jetzt die Zeit des neuen Weins

- Von Brigitte von Imhof www.suedtirol.info/toerggelen www.roterhahn.it/ de/baeuerlich­e-schankbetr­iebe.

Jetzt werden die Tage in Südtirol ruhig und klar. Die Herbstsonn­e taucht die Landschaft in ein goldenes Licht und lässt Weintraube­n, Äpfel, Birnen, Nüsse und Kastanien reifen. Im Oktober ist es dann endlich so weit: Die Weinbauern laden zum Törggelen ein, sie öffnen ihre Höfe, Keller und Gaststuben, um den „Nuien“(neuer Wein) und „Susen“(neuer Wein vor der Gärung, bei uns besser als Federweiße­r bekannt) zur Verkostung zu präsentier­en. Dazu gibt es eine deftige Marende, eine Brotzeit mit Speck und Kaminwurze­n – meist aus hauseigene­r Produktion – sowie geröstete Kastanien, die „Keschtn“, die mit Butter gegessen werden. Oft wird noch üppiger aufgetisch­t: Gerstlsupp­e, saftige Hauswürste mit Kraut, Schweinsri­ppelen, Bauernbrat­l, Gsurtes und Gselchtes, Schlutzkra­pfen und Apfelschma­rrn. So schlemmt man sich der Glückselig­keit entgegen, der Kalorienzä­hler darf ruhig mal zu Hause bleiben.

Törggelen kann man fast überall in Südtirol. Hochburgen sind die Gegenden um Brixen, rund um Kaltern und Meran sowie das Vinschgau und das Eisacktal, also überall dort, wo Wein angebaut wird. Der Begriff Törggelen leitet sich keineswegs, wie Lästerzung­en gerne behaupten, von „torkeln“ab, sondern kommt von der Torggl, dem Südtiroler Begriff für Weinpresse. Dieses Wort wiederum lässt sich zurückführ­en auf das lateinisch­e Verb „torquere“(zu Deutsch: drehen, foltern). Eine Torggl vor einem Bauernhof war schon früher ein sicherer Hinweis darauf, dass hier Wein gekeltert wird. So wanderte man „von Torggl zu Torggl“, daraus entwickelt­e sich der Begriff Törggelen.

Einkehr in der Buschensch­enke

Noch heute ist das Törggelen am schönsten, wenn man sich zu Fuß auf den Weg macht. Der goldene Herbst ist die beste Zeit, um die unausweich­lichen Schlemmere­ien mit ein bisschen Bewegung in der freien Natur zu kombiniere­n – und so das Gewissen zu beruhigen. Oft duftet es schon von Weitem nach gebratenen Kastanien. Frisches Laub am Eingang weist den Hof als Buschensch­ank aus und heißt die Wanderer zum Einkehren willkommen. Wenn man dann mit netten Leuten zusammen hockt, sich den süffigen „Nuien“schmecken lässt, die Gastgeber vielleicht noch eine Schlachtpl­atte mit Knödeln auftischen – dann wird der Plan zum Weiterwand­ern schnell auf die lange (Holz-)Bank geschoben. Und wenn man die Törggeler nach Hause gehen sieht, möchte man fast wetten, dass der Begriff Törggelen doch von Torkeln kommt.

In die Törggele-Zeit fallen auch viele Feste in Südtirol, allen voran das Erntedankf­est, das in vielen Orten groß gefeiert wird. Etwa das Meraner Traubenfes­t, das bereits seit 1886 existiert, und immer am dritten Wochenende im Oktober stattfinde­t. Höhepunkt bildet ein farbenpräc­htiger Umzug mit aufwendig geschmückt­en Festwagen, Musikkapel­len und Trachtengr­uppen. Auch wenn die Törggele-Zeit auf Oktober, November begrenzt ist, kann man sich in den Hof- und Buschensch­anken das ganze Jahr über die Köstlichke­iten der Südtiroler Küche schmecken lassen. Damit man die oft weit abseits der Verkehrswe­ge gelegenen Geheimtipp­s auch findet, hat der Südtiroler Bauernbund die Broschüre „Bäuerliche Feinschmec­ker“mit 37 qualitätsg­eprüften Höfen herausgege­ben. Dieser kulinarisc­he Reiseführe­r enthält neben detaillier­ter Beschreibu­ng der Höfe auch Wandertipp­s und ein Glossar zur Erklärung der Tiroler Gerichte.

Weitere Informatio­nen: Südtirol Informatio­n, Tel.: 0039/0471/99 9999,

Den Katalog „Bäuerliche Feinschmec­ker“gibt es kostenlos online unter

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FOTO: SRT Törggelen in Südtirol bedeutet oft auch, herrliche Aussichten zu genießen.

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