Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Hunderte Hinweise auf Supermarkterpresser
Fahndung läuft rund um die Uhr – Kriminologe Pfeiffer: Täter wohl psychisch gestört
RAVENSBURG/FRIEDRICHSHAFEN Hunderte Hinweise, aber noch keine heiße Spur: Im Fall des mutmaßlichen Supermarkterpressers vom Bodensee sind seit Veröffentlichung der Fahndungsfotos rund 1000 Anrufe und 200 E-Mails bei der Polizei in Konstanz eingegangen. Die meisten Anrufer sind Polizeiangaben zufolge Menschen, die sich Sorgen machen und sich bei der Polizei erkundigen, wie man sich schützen kann. 200 Hinweise hingegen beziehen sich auf die gesuchte Person. „Bislang zeichnet sich jedoch noch keine heiße Spur ab, weshalb die Ermittlungsbehörden nach wie vor auf die Mithilfe der Bevölkerung bei der Fahndung nach dem mutmaßlichen Giftausbringer setzen“, erklärten Oberstaatsanwalt Alexander Boger und Polizeivizepräsident Uwe Stürmer. Das Callcenter des Polizeipräsidiums Konstanz mit einem Dutzend Mitarbeitern bleibt daher rund um die Uhr besetzt. Der Tatverdächtige soll mit der erneuten Platzierung von vergifteten Lebensmitteln in Supermärkten und Drogerien gedroht haben, um eine zweistellige Millionensumme zu erpressen. Fünf Gläser mit vergifteter Babynahrung hatte die Polizei Mitte September in einem Lebensmittelmarkt in Friedrichshafen aus dem Verkehr gezogen. Uwe Stürmer, der auch Leiter der Kriminalpolizei in Friedrichshafen ist, geht davon aus, dass es durch die Fahndung mit Bildern nun schwerer für den Täter ist, erneut vergiftete Lebensmittel in Umlauf zu bringen.
Der Kriminologe Christian Pfeiffer hält den Täter für machtversessen und psychisch gestört, wie er im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“sagte. „Die Psychiater, die sich in einem Prozess mit ihm beschäftigen müssen, werden so etwas feststellen, eine narzisstische Störung vermutlich.“Gefährlicher als andere Verbrecher mache ihn, dass er nicht nur drohe, sondern tatsächlich Lebensmittel vergifte. Man könne ihn nicht nur als Spinner abtun. Der Täter habe gezielt Babynahrung manipuliert: „Damit erzielt er am meisten Angst und Aufmerksamkeit.“Es ginge dem Kriminellen darum, möglichst viele Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen. Dass es dem Täter wirklich um Geld geht, bezweifelt Pfeiffer. „Jeder vernünftige Mensch weiß, dass das heute nicht mehr funktioniert.“Dazu seien die Überwachungsmöglichkeiten der Polizei zu gut. „Wenn es nicht ein neuer Dagobert ist, kann man zu 100 Prozent ausschließen, dass er eine neue Lücke entdeckt hat“, so Pfeiffer in Anspielung auf den cleveren Kaufhauserpresser Arno Funke, der in den 1990er-Jahren zehn Millionen D-Mark erbeutete.