Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Hunderte Hinweise auf Supermarkt­erpresser

Fahndung läuft rund um die Uhr – Kriminolog­e Pfeiffer: Täter wohl psychisch gestört

- Von Daniel Drescher, Martin Hennings und dpa

RAVENSBURG/FRIEDRICHS­HAFEN Hunderte Hinweise, aber noch keine heiße Spur: Im Fall des mutmaßlich­en Supermarkt­erpressers vom Bodensee sind seit Veröffentl­ichung der Fahndungsf­otos rund 1000 Anrufe und 200 E-Mails bei der Polizei in Konstanz eingegange­n. Die meisten Anrufer sind Polizeiang­aben zufolge Menschen, die sich Sorgen machen und sich bei der Polizei erkundigen, wie man sich schützen kann. 200 Hinweise hingegen beziehen sich auf die gesuchte Person. „Bislang zeichnet sich jedoch noch keine heiße Spur ab, weshalb die Ermittlung­sbehörden nach wie vor auf die Mithilfe der Bevölkerun­g bei der Fahndung nach dem mutmaßlich­en Giftausbri­nger setzen“, erklärten Oberstaats­anwalt Alexander Boger und Polizeiviz­epräsident Uwe Stürmer. Das Callcenter des Polizeiprä­sidiums Konstanz mit einem Dutzend Mitarbeite­rn bleibt daher rund um die Uhr besetzt. Der Tatverdäch­tige soll mit der erneuten Platzierun­g von vergiftete­n Lebensmitt­eln in Supermärkt­en und Drogerien gedroht haben, um eine zweistelli­ge Millionens­umme zu erpressen. Fünf Gläser mit vergiftete­r Babynahrun­g hatte die Polizei Mitte September in einem Lebensmitt­elmarkt in Friedrichs­hafen aus dem Verkehr gezogen. Uwe Stürmer, der auch Leiter der Kriminalpo­lizei in Friedrichs­hafen ist, geht davon aus, dass es durch die Fahndung mit Bildern nun schwerer für den Täter ist, erneut vergiftete Lebensmitt­el in Umlauf zu bringen.

Der Kriminolog­e Christian Pfeiffer hält den Täter für machtverse­ssen und psychisch gestört, wie er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte. „Die Psychiater, die sich in einem Prozess mit ihm beschäftig­en müssen, werden so etwas feststelle­n, eine narzisstis­che Störung vermutlich.“Gefährlich­er als andere Verbrecher mache ihn, dass er nicht nur drohe, sondern tatsächlic­h Lebensmitt­el vergifte. Man könne ihn nicht nur als Spinner abtun. Der Täter habe gezielt Babynahrun­g manipulier­t: „Damit erzielt er am meisten Angst und Aufmerksam­keit.“Es ginge dem Kriminelle­n darum, möglichst viele Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen. Dass es dem Täter wirklich um Geld geht, bezweifelt Pfeiffer. „Jeder vernünftig­e Mensch weiß, dass das heute nicht mehr funktionie­rt.“Dazu seien die Überwachun­gsmöglichk­eiten der Polizei zu gut. „Wenn es nicht ein neuer Dagobert ist, kann man zu 100 Prozent ausschließ­en, dass er eine neue Lücke entdeckt hat“, so Pfeiffer in Anspielung auf den cleveren Kaufhauser­presser Arno Funke, der in den 1990er-Jahren zehn Millionen D-Mark erbeutete.

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