Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Bausparen ist hoch attraktiv“
W&W-Chef Junker über Lebensversicherungen, digitale Produkte und gekündigte Altverträge
RAVENSBURG - Mit der beschleunigten Digitalisierung will der neue Chef des Finanzkonzerns Wüstenrot & Württembergische (W&W), Jürgen Junker, zusätzliche Kunden gewinnen und bestehenden Kunden weitere Möglichkeiten bieten. Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“erläutert er, wie er dabei vorgeht und warum die Lebensversicherung ein Zukunftsprodukt ist.
Herr Junker, Sie sind seit Januar Chef des Finanzkonzerns Wüstenrot & Württembergische (W&W). Was wollen Sie anders machen als Ihr Vorgänger?
Der W&W-Konzern verfügt über eine hervorragende Position. Digitalisierung, Wettbewerb und zunehmende Regulierung werden uns fordern. Deshalb müssen wir dynamischer, effizienter und innovativer werden. Und wir müssen noch stärker im Sinne des Kunden denken.
Unter dem Dach von W&W ist mit Wüstenrot die älteste Bausparkasse Deutschlands. Warum soll man bei den niedrigen Zinsen noch bausparen?
Um sich ein günstiges Zinsniveau für die Zukunft zu sichern. Ein Bausparvertrag mit dem Anspruch auf einen günstigen Kredit ist immer noch besser als ein Sparbuch, das momentan gar nichts abwirft. Der Bausparvertrag ist ein reguliertes Produkt, das hohe Sicherheit bietet und es gibt staatliche Förderung, zum Beispiel für junge Menschen.
Bausparen hatte zuletzt eher negative Schlagzeilen, weil Sie gut verzinste Altverträge gekündigt haben ...
Es war gut, dass sich der Bundesgerichtshof (BGH) der Meinung der Bausparkassen angeschlossen und die Kündigungen für rechtens erklärt hat. Wir müssen das Kollektiv der Bausparer schützen, das Eigenkapital für wohnwirtschaftliche Zwecke aufbauen will. Eine Kündigung zehn Jahre nach Zuteilungsreife ist sinnvoll.
Hat Ihnen die Diskussion nicht geschadet?
Beim Endverbraucher fast nicht. Allein 2016 wurden deutschlandweit etwa 2,2 Millionen Verträge abgeschlossen. Das zeigt: Bausparen ist hoch attraktiv. Die meisten Menschen nutzen es heute zur Modernisierung oder Renovierung ihres Wohnraums. Wir nennen es deshalb jetzt Wohnsparen und nehmen gezielt junge Kundengruppen ins Visier.
Sie haben im bisherigen Jahresverlauf kaum Schäden in der Schadenund Sachversicherung verzeichnet. War das nur Glück? Generell gibt es doch immer mehr Naturkatastrophen ...
Ein bisschen Glück war dabei. Aber wir liegen im langfristigen Mittel. Per Juli verzeichneten wir Elementarschäden von 33 Millionen Euro. Zum Vergleich: 2016 waren es im Gesamtjahr 80 Millionen Euro an Schäden durch Naturereignisse.
Sind denn die meisten Menschen in Deutschland gegen solche Schäden versichert?
Es gibt immer noch zu viele, die nicht gegen Schäden aus extremen Wetterereignissen versichert sind.
Sie gelten als technikaffin und beschleunigen die Digitalisierung in Ihrem Haus. Will der Kunde das?
Ja, unsere Kunden werden hybrider und digitaler – darauf stellen wir uns ein. Es geht darum, unser Produktangebot, wo es möglich ist, den Kunden 24 Stunden am Tag sieben Tage die Woche und zudem mobil verfügbar zu machen – also es als SmartphoneApp bereitzustellen, die einen Zugriff von unterwegs auf die eigenen Konten und Versicherungen erlaubt. Der Kunde kann jedoch auch weiter direkt mit unseren rund 6000 Außendienstpartnern reden.
Wenn der Kunde ein Unwetter heranziehen sieht, kann er schnell noch elektronisch abschließen?
Ja, so ungefähr. Die Idee ist, dass wir uns stärker auf den Kunden einstellen, der ja sehr verschiedene Lebenssituationen hat. Da hilft die digitale Welt: mit dem Finanzassistenten, der App und anderen Angeboten. Wir wollen die erreichen, die keinen Berater wollen, die sehr preissensitiv sind.
Für die wollen Sie auch eine dritte Marke aufbauen?
Ja, wir können dann individuell zugeschnittene, online verfügbare Produkte anbieten, die viel stärker personalisiert sind, also Preise stärker auf konkrete Lebenssituationen ausrichten, etwa auf einen 60-jährigen Single. Und alles geht sehr viel schneller, mit einem Klick.
Gilt das auch für die Regulierung?
Natürlich. Unter Einsatz einer Webcam beispielsweise können wir bestimmte Schäden sofort regulieren. Schnell, einfach, verständlich, gut für den Kunden.
Wann kommt das?
Wir beginnen damit in Kürze und werden das Angebot in den nächsten Jahren ausbauen. Wir sind in Sachen Digitalisierung zwar schon gut unterwegs, haben aber insgesamt noch einen langen Weg vor uns.