Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Wir brauchen ein bisschen Geduld“

Uwe Stürmer leitet die Suche nach dem Supermarkt­erpresser

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FRIEDRICHS­HAFEN - Wer ist der unbekannte Supermarkt­erpresser? Ganz Deutschlan­d stellt sich nach dem Fahndungsa­ufruf der Polizei am Donnerstag diese Frage. Auch Uwe Stürmer, Chef der Kriminalpo­lizei in Friedrichs­hafen, kann darauf noch keine Antwort geben. Im Gespräch mit Martin Hennings erklärt er, warum die Polizei so lange mit einer Warnung gewartet hat und wie die ermittelnd­en Polizisten mit der Situation umgehen.

Die wichtigste Frage zuerst: Haben Sie den Erpresser?

Wir haben von der Pressekonf­erenz am Donnerstag­mittag bis Freitagvor­mittag über 800 Anrufe erhalten. Vielfach waren das besorgte Bürger, es waren aber auch 263 Vorgänge und davon 144 echte Hinweise dabei. Diese Hinweise sind natürlich unterschie­dlicher Qualität. Wir werden sie jetzt alle abarbeiten, so schnell wie möglich, aber auch so gründlich wie nötig. Das erfordert seine Zeit, wir brauchen also alle ein bisschen Geduld.

Es könnte aber – den richtigen Hinweis vorausgese­tzt – auch ziemlich schnell gehen, oder?

Nun ja, wenn wir bei einer Person eine Übereinsti­mmung feststelle­n mit den Fotos, die wir zur Fahndung veröffentl­icht haben, dann können wir ja nicht hinfahren und läuten. Wir müssen da erst sorgfältig ermitteln und das Umfeld abklären, um den möglichen Täter nicht zu warnen. Ich muss also tatsächlic­h um etwas Geduld bitten.

Sind Sie denn mit der Zahl der eingegange­nen Hinweise zufrieden?

Wichtig ist nicht die Quantität der Hinweise, sondern ihre Qualität. Der eine Richtige muss halt dabei sein. Bis wir das mit Sicherheit sagen können, ist noch viel Kärrnerarb­eit von den Kolleginne­n und Kollegen zu leisten.

Kommen die Hinweise denn vor allem aus der Bodenseere­gion?

Teils, teils. Fakt ist, dass laufend neue Hinweise dazukommen. In Spitzenzei­ten saßen zehn Beamte im Call-Center, um die Erreichbar­keit sicherzust­ellen.

Viele fragen sich: Warum hat die Polizei so spät vor dem Erpresser gewarnt?

Es war ja so, dass das Erpressers­chreiben am Samstag, 16. September, eingegange­n ist. An dem Tag waren kurz darauf die Läden dicht. Am Sonntag haben wir bereits den Großteil der relevanten Gläschen siGefahr. chergestel­lt. Nachdem schließlic­h sehr schnell auch die Untersuchu­ngsergebni­sse aus dem Kriminalte­chnischen Institut des Landeskrim­inalamts vorlagen, war klar, dass es gelungen war, die vom Erpresser angekündig­te Ausbringun­g von fünf vergiftete­n Gläschen Babynahrun­g in fünf Supermärkt­en und Drogerien komplett sicherzust­ellen. Deshalb bestand nach unserer festen Einschätzu­ng in dieser Phase keine Zudem bestand das Risiko, durch eine zu frühe Informatio­n der Öffentlich­keit vielverspr­echende Ermittlung­sansätze zunichte zu machen. Eine weitere Ausbringun­g hat der Täter für einen späteren Zeitpunkt angekündig­t. Genau deshalb haben wir am Donnerstag öffentlich und eindringli­ch gewarnt. Der Täter wird es jetzt deutlich schwerer haben, noch einmal vergiftete Lebensmitt­el in Umlauf zu bringen. Natürlich gilt für uns der Grundsatz: Gefahrenab­wehr vor Strafverfo­lgung. Wir haben täglich die Lage überprüft und uns nach sorgfältig­er Abwägung aller Umstände vorgestern zur Pressekonf­erenz entschloss­en.

Für welchen Tag gilt denn die nächste Drohung?

Das kann ich aus ermittlung­staktische­n Gründen nicht sagen.

Gibt es Erkenntnis­se, ob der Täter aus der Bodenseere­gion kommt?

Das können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Fakt ist, dass er in Friedrichs­hafen gehandelt hat. Ob er von hier stammt, einen Bezugspunk­t zur Region hat oder ob das Zufall war, werden wir wissen, wenn wir ihn gefasst haben.

Rund 220 Ermittler sind im Einsatz. Viele der Beamten sind auch Väter oder Mütter. Wie gehen Sie und die Mitarbeite­r mit der Situation persönlich um?

Man darf sich bei dieser Arbeit nicht von Emotionen leiten lassen. Wir schieben das weg. Klar ist aber schon, dass diese Tat „auf der untersten Stufe“steht. Den Tod von Kindern in Kauf nehmen zur eigenen Bereicheru­ng macht fassungslo­s. Ich kann vielleicht so viel sagen: Das Engagement aller Kollegen ist enorm. Man spürt der Mannschaft an: Den wollen wir kriegen.

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FOTO: DPA „Man spürt der Mannschaft an: Den wollen wir kriegen“: Uwe Stürmer (zweiter von links), Vizepräsid­ent des Polizeiprä­sidiums Konstanz, bescheinig­t seinen Kollegen eine besonders hohe Motivation in diesem Fall.

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