Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Ein magischer Moment“

Die Killerpilz­e haben mit ihrer Doku einen Preis beim Filmfest München gewonnen

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Die Musiker alle unter 30 und trotzdem schon eine 15-jährige Bandgeschi­chte? Willkommen im Universum der Killerpilz­e. Zu einer Zeit, als Tokio Hotel große Erfolge feierten, erhielten auch Fabi, Jo und Mäx eine Menge Aufmerksam­keit. Ihre Doku „Immer noch jung“zeichnet den bisherigen Weg der Band nach und ist unter anderem in Konstanz, Donauwörth und Augsburg im Kino zu sehen. Christiane Wohlhaupte­r hat das Trio zur Entstehung des Films, zur Finanzieru­ng und zu Zukunftspl­änen befragt.

Moderator Klaas Heufer-Umlauf bringt in der Doku auf den Punkt, was sich vielleicht auch andere fragen: Warum habt ihr noch immer diesen blöden Namen?

Jo: Diese Frage beantworte­t der Film ziemlich genau. Mal die Gegenfrage: Warum nicht, wenn ihn die Leute alle kennen? Noch eine Gegenfrage: Was sagt ihr zu Die Toten Hosen oder Fettes Brot? (lacht) Unser Name gehört zu unserem Werdegang, und es gibt nun mal noch keine vergleichb­are Geschichte im deutschen Musikbusin­ess. Wir haben uns sicher den schwersten aller Wege ausgesucht, aber warum wir das machen, zeigt der Film.

Wäre der Film anders geworden, wenn jemand Externes Regie geführt hätte?

Jo: Natürlich hat jeder Regisseur eine eigene Handschrif­t, aber der große Vorteil dabei, dass David Regie geführt hat, ist, dass er seit 15 Jahren mit seiner Kamera bei uns dabei war und jeden Backstage-Moment ungefilter­t und ehrlich mitfilmen konnte, wenn die anderen Kameras schon aus waren. Zum Beispiel auch die Zeit vor dem Hype hätte man sonst nie als filmisches Material gehabt.

Fabi: Uns war auch sehr, sehr wichtig, einen kritischen und ehrlichen Film zu machen. Wir wollten uns nicht nur selbst abfeiern und den Leuten das Gefühl geben, dass 15 Jahre lang alles wunderschö­n war, sondern zeigen, dass auch Rückschläg­e und Schwierigk­eiten auf unserem Weg sehr bezeichnen­d waren. Wir können Szenen zeigen, statt nur über sie zu reden.

Wie unterschei­det sich die Arbeit an einer Doku gegenüber der an einem Musikvideo, von denen ihr ja schon eine Menge gedreht habt?

Fabi: Natürlich hat man in einer Doku, die 15 Jahre Bandgeschi­chte beleuchtet, erst einmal viel mehr Archivmate­rial. David, der Regisseur, hat acht Terabyte Datenmater­ial auf dem Rechner. Das ist Wahnsinn! Dann mussten wir in einem längeren Prozess die Erzählpers­pektiven, die Story-Schwerpunk­te und so weiter auswählen. Außerdem zeichnet unseren Film aus, dass auch viele externe Leute aus der Musikbranc­he wie Klaas Heufer-Umlauf, Jennifer Rostock, Felix von Kraftklub oder ehemalige Label-Mitarbeite­r zu Wort kommen. Insgesamt musste man das Material in eine schlüssige Reihenfolg­e bringen, um einen interessan­ten Film daraus zu machen. Ein Musikvideo dauert drei Minuten, „Immer noch jung“aber 107 Minuten.

Wie anstrengen­d war es vorab, die Finanzieru­ng zusammenzu­bekommen?

Mäx: Dieser Film ist natürlich ein Riesenproj­ekt, das wir mit einem Crowdfundi­ng angeschobe­n haben. Unsere Fans haben uns dort großartig unterstütz­t, damit es überhaupt so weit kommen konnte. Da der Film aber zunächst als reines DVD-Projekt angedacht war und nicht fürs Kino, kommen natürlich im Moment mit den großen Kinoketten noch mal sehr viel mehr Kosten auf uns zu.

Jo: Auf jeden Fall sind die Kinotour und auch der Kinostart für uns eine riesige Herausford­erung, da wir den Film auch als eigener Verleih veröffentl­ichen. Jeder Cent wird von uns privat in das Projekt gesteckt, und wir hoffen, die Leute belohnen das mit ihrem Kommen.

Habt ihr schon alle Geschenke eingelöst, die eure Unterstütz­er über das Crowdfundi­ng im Gegenzug für ihre monetäre Hilfe bekommen?

Fabi: Einige Sachen stehen noch aus, Bonus-CDs müssen verschickt werden, ein paar Gokart-Rennen mit unseren Fans gefahren werden – aber wir freuen uns schon sehr darauf.

Gab es Material, bei dem einer von euch gerne ein Veto eingelegt hätte gegen die Verwendung?

Fabi: Es war eher im Gegenteil so, dass wir oft noch gesagt haben: Lasst uns noch einen Schritt ehrlicher sein, als man es jetzt „eigentlich“, beispielsw­eise in Interviews, sagen würde. Denn nur das sind die Szenen, die wirklich interessan­t sind. Und da gibt es einige, die sich erst einmal unangenehm anfühlen, aber im Endeffekt halt genau das zeigen, über das man sonst einfach nur erzählen würde … Das hätten wir langweilig gefunden.

Mäx: Es gibt schon Momente, bei denen man schlucken musste, als man sie das erste Mal gesehen hat. Sich so intensiv mit seinem pubertären Ich auseinande­rzusetzen, ist in manchen Momenten krass. Auch die Interview-Momente, in denen man über seine Ängste spricht und sich zum Teil auch sehr privat öffnet, sind besondere Momente, wenn man sie auf einmal auf großer Leinwand mit ganz vielen teilt.

Jo: Der Film hat alles, auch Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll.

Begegnen euch eigentlich noch Fans aus den Anfangszei­ten? Oder haben die sich anderweiti­g orientiert?

Mäx: Ich würde sagen, beides. Klar gibt es Fans, die uns nur zu „HypeZeiten“gefolgt sind und sich schnell auch wieder auf andere Themen oder Künstler fokussiere­n. Wir merken aber auch, dass wir, seit wir auf eigenem Label veröffentl­ichen, viele, zum Teil alte, aber auch ganz neue Fans einsammeln. Einige, die uns zwischenze­itlich aus den Augen verloren hatten, sind mit unserem aktuellen Album oder bei unseren Festivalau­ftritten wieder auf uns aufmerksam geworden.

Jo: Das ist natürlich ein wunderbare­s Gefühl, wenn man es schafft, diese Leute nach all den Jahren musikalisc­h wieder für sich zu gewinnen. Auf der anderen Seite gibt es auch schon wieder eine ganz neue Killerpilz­e-Generation, die jetzt nachkommt. Nur so kann man übrigens auch eine wirklich große Kult-Band werden … indem man mehrere Generation­en begeistert. Da sind wir ja mit 15 Band-Jahren auf dem Buckel, aber immer noch Ende zwanzig, ganz gut dabei. (lacht)

Welche Musikdokus – außer eurer eigenen – könnt ihr noch empfehlen?

Jo: Wir sind riesige Musikdoku-Fans und wollten mit unserem Film auch an einige Dokus anknüpfen, die wir großartig finden: „Supersonic“von Oasis, „Amy“oder die Queen-Doku. Stilistisc­h und erzähleris­ch großes Kino, an dem wir uns mit „Immer noch jung“orientiert haben.

Mit eurer Doku habt ihr den Publikumsp­reis auf dem Filmfest München gewonnen. Kam das überrasche­nd?

Fabi: Das kam absolut überrasche­nd, weil wir den Film dort eher mal ohne Hintergeda­nken eingereich­t haben. Dass der Film dann aber wirklich den Publikumsp­reis abräumt und somit auch die Türen Richtung Kino geöffnet wurden, war überwältig­end. Wir kamen gerade von einer Show aus Wilhelmsha­ven, wurden über den roten Teppich in den Saal geführt, und fünf Minuten später hatten wir den Preis in der Hand. Wirklich ein magischer Moment!

Nach Kinotour und Clubtour: Was kommt als Nächstes?

Fabi: Ehrlich gesagt – das wissen wir noch nicht. Vielleicht ist danach erst einmal eine Verschnauf­pause angesagt. Wir sind seit Jahren am Drücker und haben uns nie eine Pause gegönnt, Album um Album veröffentl­icht und viel, viel Geld in dieses Projekt investiert. Klar ist, übrigens auch ein Zitat aus dem Film: „Wir sind immer noch jung, und es fühlt sich an, als wäre das gerade erst der Anfang.“Lass uns dazu Ende des Jahres noch mal sprechen!

 ?? FOTO: PAUL AMBRUSCH ?? Gitarrist Mäx Schlichter (29), Sänger Jo Halbig (28) und Schlagzeug­er Fabi Halbig (24 / von links) sind mit ihrem Kinofilm „Immer noch jung“unter anderem in Konstanz, Donauwörth und Dillingen auf Tour.
FOTO: PAUL AMBRUSCH Gitarrist Mäx Schlichter (29), Sänger Jo Halbig (28) und Schlagzeug­er Fabi Halbig (24 / von links) sind mit ihrem Kinofilm „Immer noch jung“unter anderem in Konstanz, Donauwörth und Dillingen auf Tour.
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