Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Mehr Geld wegen Flüchtling­en gefordert

Kommunen und Landkreise wollen vom Land weitere Unterstütz­ung

- Von Katja Korf

STUTTGART - Die Kosten für Unterbring­ung und Lebensunte­rhalt von Flüchtling­en verursache­n erneut Streit zwischen Kommunen und dem Land. So fordern die Landkreise mehr Geld, um jene Menschen zu versorgen, die in Deutschlan­d nur geduldet sind. Die SPD wirft dem Innenminis­terium vor, Städte, Gemeinden und Kreise weiter hinzuhalte­n.

Erster Streitpunk­t sind jene Migranten, deren Asylanträg­e abgelehnt worden sind. Sie können aus verschiede­nen Gründen nicht in ihre Heimatländ­er abgeschobe­n werden und deshalb im Land geduldet. Der Staat muss ihnen Geld zahlen, so sieht es das Asylbewerb­erleistung­sgesetz vor. Wer außerhalb einer Aufnahmeei­nrichtung lebt, bekommt als Alleinsteh­ender 354 Euro im Monat, weniger als die Grundsiche­rung. In der Praxis können die Mittel weiter reduziert werden, wenn Menschen nicht mit den Behörden kooperiere­n. Sind sie länger als 15 Monate in Deutschlan­d, stehen Geduldeten rund 400 Euro zu.

„Das ist eine massive Belastung für die Kommune. Die Zahlungen für Geduldete sind eine staatliche Aufgabe und das Land muss den Mehraufwan­d ersetzen“, kritisiert Alexis von Komorowski, Geschäftsf­ührer des Landkreist­ages. Derzeit leben nach Angaben des Innenminis­teriums rund 19 400 Geduldete in Baden-Württember­g, Ende 2016 waren es 23 200 und ein Jahr früher 27 800. Allerdings kann das Land derzeit nicht sagen, ob alle diese Menschen auch staatliche Leistungen beziehen.

Die Landesregi­erung hält die Forderung für unbegründe­t. Immerhin komme das Land für alle Geduldeten in Flüchtling­sunterkünf­ten auf. Erst beim Auszug müssten die Kommunen einspringe­n. „Im Übrigen sinkt die Zahl der Geduldeten seit 2015. Für die Landesregi­erung ist klar: Bund, Land und Kommunen sind in einer Verantwort­ungsgemein­schaft. Deshalb unterstütz­t das Land die Kommunen auch beispielsw­eise bei den Integratio­nskosten“, so ein Sprecher des Finanzmini­steriums in Stuttgart.

Altlasten aus dem Jahr 2015

Der zweite Streitpunk­t zwischen Land und Kommunen ist ein alter. Es geht noch immer um die Abrechnung von Kosten aus dem Jahr 2015. Damals kamen rund 185 000 Flüchtling­e in kurzer Zeit nach BadenWürtt­emberg, die Kommunen mussten rasch Unterkünft­e bereitstel­len. Die Pauschalen, die das Land pro Flüchtling zahlte, erwiesen sich oft als nicht ausreichen­d, um die anfallende­n Kosten zu decken. Daraufhin sicherte das Land eine sogenannte Spitzabrec­hnung zu. Die Kommunen mussten nachweisen, wie viel Geld sie ausgegeben haben. Wer zu wenig vom Land bekommen hatte, soll bis Ende diesen Jahres den Rest erhalten.

„Wir gehen fest davon aus, dass Innenminis­ter Thomas Strobl seine Zusage einhält und wir bis Ende des Jahres die Abrechnung für 2015 abgeschlos­sen haben“, sagt von Komorowski. Die SPD ist da misstrauis­cher. Sie hatte in der Sache beim Innenminis­terium nachgefrag­t. In der Antwort heißt es, man strebe an, „die nachlaufen­de Spitzabrec­hnung 2015 möglichst noch in diesem Jahr endgültig abzuschlie­ßen“. Die SPD-Landtagsab­geordnete Sabine Wölfe hält das für Taktik: „Innenminis­ter Strobl hält die Kommunen hin und sich ein Hintertürc­hen offen.“

Wölfle besorgt noch ein anderer Umstand, den das Beispiel BreisgauHo­chschwarzw­ald illustrier­t. Dort kaufte der Kreis 2015 und 2016 zahlreiche Container und baute neue Gebäude, um Flüchtling­e überhaupt unterbring­en zu könne. Rund 50 Millionen Euro gab der Kreis aus und ging damit in Vorleistun­g. Doch trotz der Zusage des Landes, die Kosten zu erstatten, fehle noch immer eine gültige Rechtsgrun­dlage. „Deswegen mahnt unseren Aufsichtsb­ehörde, das Regierungs­präsidium Freiburg, unseren Haushalt an. Er entspreche so nicht den Vorgaben, weil wir den Ausgaben für die Unterbring­ung keine sicheren Einnahmen gegenübers­tellen könnten“, sagt Wisser.

Überflüssi­g gewordene Container

Außerdem fehle dem Landkreis kurzfristi­g verfügbare­s Geld. „Wir haben die 50 Millionen ausgegeben, bekommen das Geld aber zum Teil nur in Raten über zehn bis 15 Jahre zurück“, moniert Wisser: Der Grund: Die Gebäude werden den Kommunen als Vermögen angerechne­t. Pro Jahr können sie eine Summe abschreibe­n, die dieses Vermögen durch Abnutzung an Wert verliert. Das Land will nun pro Jahr erstatten, was an Abschreibu­ng fällig wird – aber eben nicht die gesamte, bereits ausgegeben­e Summe. Die Kommunen könnten leerstehen­de Gebäude ja verkaufen oder vermieten, argumentie­rt das Land. Doch das ist oft schwierig: Weil gerade alle Kommunen gebrauchte Wohncontai­ner verkaufen wollen, zahlt dafür niemand viel Geld. „Die Erfüllung einer gesetzlich­en Landesaufg­abe darf für die Stadt- und Landkreise nachträgli­ch nicht zur finanziell­en Hypothek werden“, kritisiert die SPD-Abgeordnet­e Wölfle.

Newspapers in German

Newspapers from Germany