Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ehemänner

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Im Sommer 1979 war WestBerlin noch eingemauer­t, Helmut Schmidt Bundeskanz­ler und Gloria Gaynors Discohit „I Will Survive“frisch in den Charts, da verliebten sich Karl Kreile (59) und Bodo Mende (60) auf einer Party in Berlin-Schöneberg. Am Sonntag wurden sie im dortigen Rathaus getraut – als bundesweit erstes homosexuel­les Paar nach Einführung der „Ehe für alle“. Darauf hatten sie jahrzehnte­lang gewartet.

Den ersten – vergeblich­en – Gang vors Standesamt traten beide vor 25 Jahren an. Schwule und lesbische Paare bestellten bei der „Aktion Standesamt“1992 deutschlan­dweit das Aufgebot, wohl wissend, dass es hoffnungsl­os war. „Ich empfand mich als zurückgese­tzt und gekränkt, dass man unsere Beziehung nicht als wert erachtet, so gesehen zu werden, wie die anderen Beziehunge­n auch“, erzählt Kreile.

Im Juli 2002 bestätigte das Bundesverf­assungsger­icht, dass das ein Jahr zuvor verabschie­dete Lebenspart­nerschafts­gesetz mit dem Grundgeset­z vereinbar war. Kreile und Mende traten ein zweites Mal vor Standesbea­mte, verließen das Rote Rathaus als Mann und Mann – wie viele andere auch. 2015 lebten laut Mikrozensu­s 43 000 „verpartner­te“Paare in Deutschlan­d, fast die Hälfte aller

94 000 zusammenle­benden homosexuel­len Paare.

Für sich und ihr Umfeld galten Mende und Kreile seitdem als verheirate­t, doch rechtlich eben nicht: Von Mietrecht über Erbrecht und Steuerrech­t bis zur Adoption leiblicher Kinder kam die Angleichun­g an die Rechte heterosexu­eller Eheleute erst nach Klagen vor dem Bundesverf­assungsger­icht. „Die Pflichten waren vom ersten Tag an wie bei Ehepaaren, aber die Rechte waren minimal. Jedes Zugeständn­is der Politik war durchgekla­gt und dauerte Jahre“, sagt Kreile. „Es war ein mühseliger, erbärmlich­er Prozess, das muss man so sagen, den die Politik da veranstalt­et hat.“Am Sonntag ist dieser Prozess nun abgeschlos­sen worden. Christina Peters/dpa

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FOTO: DPA Zum dritten Mal in 38 Jahren traten Karl Kreile (rechts) und Bodo Mende am Sonntag vor Standesbea­mte.

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