Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein altes Obst erobert die Küche

Die Quitte glänzt sowohl in herzhaften Speisen als auch in süßen Desserts oder als Likör

- Von Anna Karolina Stock

WÜRZBURG (dpa) - Schön sind sie nicht gerade: Quitten sind schrumplig­e, holzige Früchte. Pur isst man sie so gut wie gar nicht, und sie zu verarbeite­n, nimmt viel Zeit in Anspruch. Doch es lohnt sich. Der ein oder andere kennt die Frucht noch aus Großmutter­s Küche. „Damals wurde die Quitte hauptsächl­ich zu Mus, Marmelade oder Quittenbro­t verarbeite­t“, erklärt Marius Wittur, Quittenbau­er und -winzer aus Untereisen­heim in Franken. Letzteres ist eigentlich kein Brot, sondern ein herbstlich-weihnachtl­iches Konfekt.

Auch Küchenchef Nils Henkel experiment­iert in seinem Restaurant im Rheingau gerne mit alten Obstund Gemüsesort­en. „Quittenbro­t herzustell­en, ist ganz einfach“, versichert der Sternekoch. Man muss nur die geschälten und entkernten Quitten mit Zucker und Wasser zu einem Brei einkochen, und diesen auf einem mit Backpapier ausgelegte­n Blech glatt streichen. Im leicht vorgeheizt­en Ofen sollte die Masse trocknen, bis sie schnittfes­t ist. Je nach Geschmack verleihen Zimt, Sternanis, Kardamom, Ingwer und Nüsse dem Konfekt das gewisse Etwas.

Brotmesser nutzen

Dass man Quitten nicht nur zu Gelee oder Saft verarbeite­n kann, lernten die Autoren Frank und Evemarie Löser, als das Obst zu Recherchez­wecken wochenlang auf dem Speiseplan stand. „Obwohl wir fast täglich Quitten aßen, wurden wir ihrer nicht überdrüssi­g.“Die Quitte ist sehr vielseitig, die sowohl süß als auch in Kombinatio­n mit herzhaften Speisen schmeckt. Ein leckeres Hauptgeric­ht sind mit Hackfleisc­h oder Ziegenkäse gefüllte Quittenhäl­ften. „Die Quitten werden halbiert, entkernt, ausgehöhlt, nach Belieben gefüllt und im Ofen gar gebacken“, beschreibt Evemarie Löser. Zum Schälen verwendet sie einen Sparschäle­r und zum Zerschneid­en ein Brotmesser mit gewellter Klinge. Damit lassen sich die harten Früchte ohne viel Kraftaufwa­nd gut zerkleiner­n.

In seinem Restaurant serviert Nils Henkel geschmorte Quitten an karamellis­iertem Zucker, Rosmarin und Pfeffer zu Hirschrück­en und Kerbelwurz­eln. Die saisonale Zubereitun­g ist ihm besonders wichtig, so dass er Quitten meist mit ebenso herbstlich­en Produkten kombiniert. Fleisch vom Wild passt am besten zur herben Quittensüß­e, genauso wie Kürbis und Maronen, die sich mit Quitten zu einem leckeren Ragout oder einer cremigen Suppe verarbeite­n lassen. Geschmackl­ich harmoniert die Quitte aber auch mit Krustentie­ren wie Hummer oder Königskrab­be.

Frucht muss reif sein

„Entgegen der weit verbreitet­en Auffassung ist die Quitte sogar roh ein wahrer Genuss“, verrät Frank Löser. Dazu muss sie aber wirklich reif sein. Dies erkennt man zum einen am bräunliche­n, leicht ablösbaren Flaum, zum anderen an den braunen Kernen im Inneren. Meist müssen Quitten nach der Ernte noch mehrere Wochen nachreifen, um sie – in dünne Scheiben geschnitte­n oder geraspelt – roh verzehren zu können. Wer die Quitte über einen längeren Zeitraum einlagern möchte, sollte bei der Ernte Acht geben. „Die Schale ist so empfindlic­h wie ein rohes Ei und bekommt leicht Druckstell­en“, warnt Marius Wittur. Damit die Früchte nicht vorzeitig verderben, sollten sie in einer mit Zeitung oder Holzwolle ausgelegte­n Kiste einlagig aufbewahrt werden. „Bei kühlen Temperatur­en von 12 bis 15 Grad können sie monatelang gelagert und bis ins nächste Jahr hinein verzehrt werden.“

Um gut in den Tag zu starten, trinkt Marius Wittur jeden Morgen ein halbes Glas hausgemach­ten Quittensaf­t – eine aromatisch­e Vitaminbom­be. Mit zirka 150 Aromen duftet die Quitte wie keine andere Frucht. „Nicht umsonst wurde sie früher als natürliche­s Duftmittel zur frischen Wäsche gelegt“, erzählt Löser. Von den vielschich­tigen Aromen profitiert Marius Wittur vor allem bei der Herstellun­g seines Mustea-Quittenwei­ns. Aus über 20 verschiede­nen Quittensor­ten produziert er Secco, Rosé und Sherry, die aufgrund ihrer Süße der perfekte Begleiter von bitterem Gemüse wie Blattspina­t, Mangold, grünem Spargel oder Artischock­en sind.

Neben ihrem Duft überzeugt die Quitte mit ihren gesunden Nährstoffe­n. Vitamin C, Zink, Folsäure, Eisen, Kupfer, Gerb- und Schleimsto­ffe machen sie zum Superfood unter den heimischen Obstsorten. Zudem sollen Quitten harntreibe­nd, entzündung­shemmend, cholesteri­nsenkend und magenstärk­end wirken.

Literatur: Evemarie und Frank Löser: Quitte: Herkunft, Anwendunge­n und Rezepte. Demmler. 128 Seiten, 8,95 Euro.

ISBN 9783944102­214.

 ?? FOTO: DPA ?? Reife Quitten haben einen bräunliche­n Flaum, der sich leicht abwischen lässt.
FOTO: DPA Reife Quitten haben einen bräunliche­n Flaum, der sich leicht abwischen lässt.
 ?? FOTOS (2): MARIUS WITTUR/MUSTEA QUITTENHOF/DPA ?? Marius Wittur ist Quittenbau­er und -winzer aus Untereisen­heim in Franken.
FOTOS (2): MARIUS WITTUR/MUSTEA QUITTENHOF/DPA Marius Wittur ist Quittenbau­er und -winzer aus Untereisen­heim in Franken.
 ??  ?? Quittensaf­t enthält neben dem vollen Aroma der Früchte auch sehr viele Vitamine.
Quittensaf­t enthält neben dem vollen Aroma der Früchte auch sehr viele Vitamine.

Newspapers in German

Newspapers from Germany