Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Perfekter Moment auf der falschen Seite

Frankfurts Traumtor in letzter Sekunde beschert Stuttgart die vierte Auswärtsni­ederlage

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FRANKFURT (dpa/SID) - Dieses Tor wird Sébastien Haller wohl für den Rest seines Lebens nicht mehr vergessen. Ein Seitfallzi­eher ist beim Fußball immer ein spektakulä­rer Moment. Aber ein Seitfallzi­eher, der in der letzten Sekunde des Spiels das entscheide­nde Tor bringt? Und das an einem Tag, an dem die eigene Mannschaft in Unterzahl spielt und seit mehr als fünf Monaten auf diesen Heimsieg wartet? „Das“, sagte Haller hinterher, „ist ein perfekter Moment.“Dank des Franzosen gewann Eintracht Frankfurt 2:1 (1:0) gegen den VfB Stuttgart, der damit die vierte Auswärtsni­ederlage in Serie einfuhr.

VfB-Trainer Hannes Wolf hätte es sich daher einfach machen können. und über bittere Umstände, Pech und die Unerfahren­heit eines Aufsteiger klagen. Doch diesen Last-minute-K.o. in Überzahl wollte er seiner Mannschaft nicht so einfach durchgehen lassen. „Ich kann hier nicht sitzen und sagen, dass es unverdient ist“, sagte Wolf spürbar angesäuert. „Ich habe keine Lust auf so eine Never-Ending-Story, bei der wir auswärts jedes Mal dasitzen und sagen: Wir haben aber ganz viel gut gemacht. Wir müssen uns einfach steigern. Wir müssen weniger Fehler machen und besser spielen. Wir müssen konsequent­er und konstanter werden.“Tatsächlic­h verlor der VfB ein Spiel, das er niemals hätte verlieren dürfen. Zu viele Fehler hinten und zu wenig Durchschla­gskraft vorne ist eine Melange, die man sich in diesem engen Wettbewerb der Bundesliga nicht leisten kann.

Vor Hallers Tor hatte der VfB zunächst einen unnötigen Freistoß verursacht und sich dann eine völlig verunglück­te Kopfballab­wehr geleistet. „Ich muss das Spiel auf meine Kappe nehmen. Ich köpf das Ding in die Mitte und dann fällt das Tor. Wenn ich den Ball einfach rausköpfe, und ich hatte die Chance dazu, weil auch Boateng nicht richtig mit hochgespru­ngen ist, dann spielen wir hier 1:1“, sagte Ginczek selbstkrit­isch. Das 1:0 hatte Ante Rebic nur deshalb erzielt, weil ihm Stuttgarts Abwehrchef Holger Badstuber den Ball unfreiwill­ig vorlegte (42.).

Nach dem 1:1 durch den diesmal nur eingewechs­elten Simon Terodde, der mit seinem ersten Ballkontak­t (61.) nach einer Ecke per Kopf traf, und einer Roten Karte für Frankfurts Simon Falette (64.) hatte Stuttgart die weit besseren Karten. „Vielleicht wollten wir den Sieg zu sehr erzwingen“, sagte Torwart Ron-Robert Zieler. „In den letzten zehn Minuten haben wir den Faden verloren. Wenn man merkt: Die Frankfurte­r kommen zurück, sie haben mehrere gefährlich­e Aktionen – dann muss man eben den einen Punkt mit nach Hause nehmen. Wir waren heute ein klein wenig naiv.“Auch Dennis Aogo, diesmal Kapitän, bemängelte, dass „wir zum Schluss vielleicht zu sehr auf Sieg gespielt“und so „defensiv nicht mehr so gut gestanden“haben.

Seit drei Partien ist der VfB nun ohne Sieg. Der nächste Gegner nach der Länderspie­l-Pause ist der Tabellenle­tzte 1. FC Köln – die Chance, wieder zum Mittelfeld aufzuschli­eßen. Allerdings wissen in Stuttgart alle: Viel leichter als in Frankfurt kann es kaum mehr werden in dieser Saison. Der Gegner war verunsiche­rt, spielte ohne Ideen und Elan. „Es ist unglaublic­h, dass wir aus dieser Partie nichts mitnehmen“, sagte Zieler. Seine Hoffnung liegt aber gerade darin, dass die Bundesliga so ausgeglich­en ist. „Man kann nicht nach Frankfurt fahren und erwarten, dass man da wie selbstvers­tändlich gewinnt“, sagte der Torwart. „Umgekehrt habe ich aber auch nicht das Gefühl, dass uns irgendjema­nd in dieser Liga überrennt.“

Und Haller? Der riss sich nach diesem perfekten Moment das Trikot vom Leib. Torwart Lukas Hradecky sprintete zum Jubeln über das ganze Spielfeld. Und Frankfurts Trainer Niko Kovac hielt sich fassungslo­s beide Hände vor das Gesicht. „Das ist wie Weihnachte­n und Ostern an einem Tag“, sagte der 45-Jährige. Die Stuttgarte­r dürften das Ganze allerdings etwas anders sehen.

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FOTO: DPA Daniel Ginczek (vorn) und Anastasios Donis sind enttäuscht, Siegtorsch­ütze Sebastien Haller (re.) feiert.

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