Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Präsidiale­s Ausrufezei­chen

- Von Andreas Müller

Frank-Walter Steinmeier war bis gestern in der Wahrnehmun­g vieler noch nicht so recht angekommen in seinem gar nicht mehr so neuen Amt. Mit umso größerer Spannung war deshalb seine Rede zum Tag der Deutschen Einheit erwartet worden. Und der Bundespräs­ident hat eine sehr gute Rede gehalten, eine, die das Potenzial hat, in einigen Jahren in der Retrospekt­ive mit dem Prädikat „wegweisend“versehen zu werden. Steinmeier hat als Bundespräs­ident jedenfalls ein Ausrufezei­chen gesetzt und womöglich das Thema seiner Amtszeit gefunden.

So kurz nach der zum politische­n Erdbeben geratenen Bundestags­wahl kam der Bundespräs­ident nicht an den Themen Zuwanderun­gs- und Flüchtling­spolitik vorbei. Dabei hat er der Versuchung widerstand­en, zum Feiertag eine Fensterred­e zu halten. Im Gegenteil: Steinmeier hat es geschafft, einem „Weiter so“eine klare Absage zu erteilen, ohne dabei auch nur im Ansatz die Abschottun­gstendenze­n von ganz rechts aufzuwerte­n. Der erste Mann im Staate hat richtigerw­eise klargemach­t, dass Deutschlan­d auch in herausford­ernden Zeiten seiner Verantwort­ung gegenüber politisch Verfolgten ohne Wenn und Aber und mit allen Konsequenz­en gerecht werden muss. Und er hat darüber hinaus ebenso richtigerw­eise gefordert, dass „weitere legale Wege nach Deutschlan­d“definiert werden müssen. Im Klartext ist das nichts anderes als die Forderung nach einem modernen Zuwanderun­gsgesetz, das nun – wenn es dann früher oder später kommt – eng mit dem Namen Steinmeier verbunden sein wird.

Auch wenn manche gern die Augen davor verschließ­en würden: Migration findet statt und muss geregelt werden: verantwort­lich, ehrlich, rational. Der Bundespräs­ident hat mit seiner Rede einen wichtigen Impuls gesetzt und die operative Politik ermutigt, sich dieser Herausford­erung in den kommenden Jahren zu stellen. Sie hat es nun in der Hand dafür zu sorgen, dass Frank-Walter Steinmeier­s Rede vom 3. Oktober rückblicke­nd tatsächlic­h als wegweisend angesehen wird.

andreas.mueller@schwaebisc­he.de

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany