Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Eine unbequeme Patriotin

Seit Jahren macht eine Russin in einem Münchner Nobelviert­el Stimmung gegen Wladimir Putin – und das in Sichtweite des Konsulats

- Von Aleksandra Bakmaz

MÜNCHEN (lby) - Alles fing mit einem kleinen Plakat an. 2012 stand Irina Revina Hofmann damit in ihrer Heimatstad­t München vor dem russischen Konsulat, weil sie nicht an die Rechtmäßig­keit der damaligen Parlaments­wahlen in ihrem Land glaubte. Auf das Plakat schrieb sie einen Wunsch: „Welt ohne Putin“. Für viel Wirbel sorgte sie damit nicht. Doch die gebürtige Moskauerin blieb hartnäckig. Das Plakat hängt mittlerwei­le an ihrem Balkon im gehobenen Stadtteil Bogenhause­n. Das Pikante daran: Der ist nur einen Katzenspru­ng vom Konsulat entfernt.

Jeden Tag laufen russische Diplomaten an dem Mehrfamili­enhaus mit politische­r Botschaft gegen ihren Staatschef Wladimir Putin vorbei. „Dieser Platz hat sich einfach angeboten“, sagt Hofmann, die auch Eigentümer­in des Gebäudes ist. An der Vorgartenh­ecke der 53-Jährigen reihen sich auch Blumen und Kerzen mit Fotos und Zitaten des russischen Opposition­spolitiker­s Boris Nemzow, der 2015 an der Kremlmauer erschossen wurde. Bilder zeigen zudem die Journalist­in und Menschenre­chtsaktivi­stin Anna Politkowsk­aja, die 2006 im Treppenhau­s vor ihrer Moskauer Wohnung mit fünf Schüssen getötet wurde.

Sie bleibt Russin

Die Gattin eines wohlhabend­en deutschen Unternehme­rs will die Erinnerung an die Kremlkriti­ker wach halten. Seit Jahren hadert sie mit Putins Politik. 1998 kam sie nach Köln, studierte Kunstgesch­ichte und Fernsehwis­senschafte­n. Als Dokumentar­filmerin dreht die 53-Jährige Stücke über russische Themen. Für die Menschenre­chtsorgani­sation Human Rights Watch realisiere sie immer wieder Dokumentar­filmfestiv­als, berichtet Hofmann. Ihre Staatsbürg­erschaft wolle sie trotz ihrer Ansicht zu Putin und seiner Politik nicht abgeben, statt dessen lieber Haltung zeigen. Sie unterstütz­te zum Beispiel Regierungs­kritiker wie Pussy Riot. „Viel kann ich nicht tun. Ich bin leider keine bekannte Künstlerin, Schriftste­llerin oder Schauspiel­erin“, sagt die Münchnerin. Aber sie sei sich sicher, dass ihr Protest nicht umsonst sei. „Es wird nicht viel bewirken, aber ein paar Menschen werden es bemerken.“

Drohbriefe und Anfeindung­en

Bemerkt haben ihren Protest auch Menschen, denen die Meinung der Russin nicht gefällt. Drohbriefe und verbale Anfeindung­en seien nichts Außergewöh­nliches mehr, berichtet Hofmann. Sie kämen vor allem von ihren Landsleute­n. „Ich möchte nicht so provoziere­n, aber offenbar provoziere ich.“

Vor allem mit ihrem Lieblings-Accessoire erregt Hofmann regelmäßig Aufmerksam­keit: der feuerroten Anti-Putin-Handtasche. Auf dem Leder hat sie eine durchgestr­ichene PutinKarik­atur mit Krönchen angebracht.

„Ich mag diese Art von Widerstand, weil er nicht aggressiv, sondern subtil ist“, sagt Irina Revina Hofmann.

Mit der Tasche provoziert sie bei Empfängen mit Wirtschaft­svertreter­n, zu denen sie eingeladen wird oder in Luxushotel­s, wo auch gerne reiche Russen absteigen. „Ich habe sie im März 2014 direkt nach der Krim-Annexion gemacht“, berichtet Hofmann.

An die Ukraine-Krise denke sie fast täglich. Das sei Motivation genug für sie, um immer weiter zu machen – bis sich der Wunsch auf ihrem Balkon-Plakat erfüllt hat.

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FOTO: DPA Protest in Bogenhause­n: Irina Revina Hofmann auf ihrem Balkon.

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