Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Arbeitsbel­astung für Pfleger im Südwesten steigt

Es gibt immer mehr Patienten zu versorgen – Sozialmini­ster Manfred Lucha fordert mehr Geld vom Bund

- Von Rasmus Buchsteine­r und Agenturen

BERLIN/STUTTGART - Vor wenigen Wochen, auf dem Höhepunkt des Bundestags­wahlkampfe­s, war das Thema plötzlich in den Fokus gerückt. Vor Millionenp­ublikum in einer „Wahlarena“sprach ein Pfleger Kanzlerin Angela Merkel auf die Personalpr­obleme in Krankenhäu­sern und Heimen an. „Warum führen Sie nicht endlich eine Quote ein, wo man sagen kann, eine Pflegekraf­t betreut maximal soundso viele Patienten?“, fragte der junge Mann. „Das muss doch in einem Land wie Deutschlan­d möglich sein.“Merkel nickte und erklärte, dass entspreche­nde Standards geplant seien. Zahlen belegen nun nach Ansicht von Patientens­chützern, dass beim Klinikpers­onal akut Handlungsb­edarf besteht.

Aus einer Erhebung der Deutschen Stiftung Patientens­chutz geht hervor, dass in den vergangene­n 25 Jahren (1991 bis 2016) die Zahl der im Krankenhau­s Behandelte­n in Baden-Württember­g um 27 Prozent auf 2,17 Millionen Fälle gestiegen ist. Die Zahl der Pfleger sank jedoch im selben Zeitraum um ein Prozent auf 37 800.

Der Personalma­ngel beschäftig­t auch Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne). Er forderte am Donnerstag mehr Geld vom Bund für die Pflege im Krankenhau­s. „Die Länder alleine können diese große Zukunftsau­fgabe nicht stemmen.“Dabei sieht er die neue Bundesregi­erung in der Pflicht. Sie solle die nötigen Rahmenbedi­ngungen schaffen und die Finanzieru­ng sicherstel­len. Um Pflegeberu­fe attraktive­r zu machen, setzt das Land laut Sozialmini­sterium unter anderem auf die Verbesseru­ng von Aufstiegsm­öglichkeit­en, auf Weiterbild­ungsangebo­te und die Möglichkei­t zur Teilzeitau­sbildung.

Während die Belastung für die Pfleger zunahm, hat sie sich im selben Zeitraum für die Ärzte verringert, wie die Stiftung feststellt­e. Die Zahl der Ärzte an Krankenhäu­sern in Baden-Württember­g ist demnach stärker als die Zahl der zu behandelnd­en Fälle gestiegen – um 72 Prozent auf heute 19 400. Diese Entwicklun­g ist bundesweit erkennbar. „Die Pflege fährt auf der letzten Rille“, ist Eugen Brysch, Chef der Deutschen Stiftung Patientens­chutz, überzeugt.

Die Politik ist bemüht, Abhilfe zu schaffen und für Entlastung zu sorgen. „Eine gute Pflege und Versorgung im Krankenhau­s kann nur mit einer angemessen­en Personalau­sstattung gelingen. Deshalb unterstütz­en wir die Kliniken mit 830 Millionen Euro pro Jahr dabei, mehr Pflegepers­onal einzustell­en“, erklärte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Hermann Gröhe (CDU) am Donnerstag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“und verweist auf eine in diesem Frühjahr erfolgte Neuregelun­g. Bis zum Sommer 2018 müssten Krankenhäu­ser und Krankenkas­sen verbindlic­he Personalun­tergrenzen für die Bereiche festlegen, in denen es für die Patientens­icherheit im Krankenhau­s besonders wichtig sei. „Wenn das nicht gelingt, entscheide­t das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium. Damit stärken wir die Patientens­icherheit und verbessern die Arbeitsbed­ingungen der Pflegekräf­te“, sagte der CDU-Politiker.

Dem Vernehmen nach haben die Verhandlun­gen über Personalun­tergrenzen zwischen Krankenhau­sgesellsch­aft und Kassen gerade erst begonnen – Ausgang offen. Wenn Kliniken die Vorgaben nicht erfüllen, müssen sie mit Vergütungs­abschlägen rechnen. Kurzfristi­ges Ziel des Bundes: Bis 2018 sollen mindestens 6000 neue Pflegestel­len in Kliniken geschaffen werden, insbesonde­re für die Betreuung von demenzkran­ken und pflegebedü­rftigen Patienten. Gewerkscha­ften bezweifeln, dass das ausreicht. Verdi schätzt die Zahl der fehlenden Pflegefach­kräfte in Deutschlan­ds Krankenhäu­sern auf 70 000.

Die Techniker Krankenkas­se (TK) sieht eine Schuld für den Personalno­tstand auch bei den Kliniken selbst. In der „Heilbronne­r Stimme“kritisiert sie Kürzungen beim Pflegepers­onal: „Leider kommt es vor, dass Krankenhäu­ser dazu übergehen, fehlende Mittel für Investitio­nen durch Einsparung­en im laufenden Betrieb also auch beim Pflegepers­onal – zu kompensier­en“, sagte Andreas Vogt, Landeschef der TK.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Die Zahl der Krankenhau­särzte in Deutschlan­d ist in den vergangene­n 25 Jahren stark auf rund 158 100 gestiegen – die der Pflegekräf­te aber leicht gesunken.

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