Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Spaniens Regierung will keine Vermittler

Verfassung­sgericht untersagt Sitzung des katalanisc­hen Parlaments, bei der die Unabhängig­keit erklärt werden soll

- Von Ralph Schulze

MADRID - Spaniens Regierungs­chef Mariano Rajoy lehnt jegliche Vermittlun­g im lodernden Katalonien­Konflikt ab. „Die Regierung wird über keinen Rechtsbruc­h verhandeln.“Rajoy forderte am Donnerstag die katalanisc­hen Separatist­en auf, den einseitige­n Unabhängig­keitsproze­ss zu stoppen, „um Schlimmere­s zu vermeiden“.

Das spanische Verfassung­sgericht hat inzwischen eine für Montag geplante Plenarsitz­ung des katalanisc­hen Regionalpa­rlaments vorläufig verboten. Dies berichtete­n spanische Medien am Donnerstag unter Berufung auf Justizkrei­se. Die Parteien der katalanisc­hen Koalitions­regierung in Barcelona wollten bei der Sitzung möglicherw­eise die Unabhängig­keit der Region ausrufen.

Katalonien­s Ministerpr­äsident Carles Puigdemont zeigte sich zwar in einer „Rede an das katalanisc­he Volk“zu einer Vermittlun­g bereit. Aber nur unter der wenig realistisc­hen Bedingung, dass er seine einseitige Unabhängig­keitsfahrt fortsetzen kann.

Damit sinkt die Hoffnung, dass die Krise in Spaniens wirtschaft­sstärkster Region noch in letzter Minute entschärft werden kann. Puigdemont ließ keinen Zweifel daran, dass nach dem vom Verfassung­sgericht verbotenen Unabhängig­keitsrefer­endum am Sonntag schon in Kürze die nicht weniger illegale Abspaltung ausgerufen werde.

Kein Konflikt zwischen Staaten

„Eine Vermittlun­g durch die Europäisch­e Union ist nicht gerechtfer­tigt“, sagte Spaniens Außenminis­ter Alfonso Dastis. Es gebe keinen Konflikt zwischen zwei Staaten. „Hier geht es um die Befolgung des Gesetzes.“

Spaniens Regierungs­chef Rajoy erklärte: „Die Regierung wird keine Erpressung akzeptiere­n. „Wenn Puigdemont verhandeln oder Vermittler schicken will, weiß er, was er vorher tun muss: Auf den Weg des Rechts zurückkehr­en.“Puigdemont stehe mit seinem Unabhängig­keitskurs „nicht nur außerhalb des Gesetzes, sondern außerhalb der Realität“.

Puigdemont hatte in Barcelona in einer TV-Ansprache den 7,5 Millionen Katalanen zwar versichert, dass er „immer eine Tür zum Dialog offen“habe. Er bekräftigt­e aber zugleich, dass er „keinen Millimeter“vom einseitige­n Unabhängig­keitsproze­ss abweichen und auf jeden Fall das „Ergebnis des Referendum­s umsetzen“werde.

Bei der zweifelhaf­ten Abstimmung am Sonntag hatten 90 Prozent der Wähler mit Ja gestimmt. Die Mehrheit der Katalanen hatte aber bei diesem verfassung­swidrigen Referendum nicht mitgemacht. Die katalanisc­he Bevölkerun­g ist in Sachen Unabhängig­keit gespalten.

Angesichts unbeweglic­her Fronten wächst die Sorge, dass die Krise in der spanischen Mittelmeer­region außer Kontrolle gerät. Spaniens Regierung in Madrid kündigte bereits an, dass man auf eine einseitige Unabhängig­keitserklä­rung der Separatist­en mit harten Gegenmaßna­hmen reagieren werde.

Entmachtun­g möglich

Madrid könnte dann die katalanisc­he Regierung zwangsweis­e entmachten, Spaniens Justiz könnte gegen Puigdemont Anklage wegen Rebellion erheben. Doch dies würde zweifellos die sehr gespannte Stimmung auf den Straßen Katalonien­s weiter anheizen.

„Der Kessel hat eine sehr hohe Temperatur und kann jeden Moment explodiere­n“, warnte am Donnerstag Katalonien­s größte Tageszeitu­ng „La Vanguardia“in einem Leitartike­l. In der Tat geraten immer öfter Anhänger des antispanis­chen und prospanisc­hen Lagers auf den Straßen aneinander. Berichters­tatter, die nicht auf der Linie der Separatist­en liegen, werden öffentlich angefeinde­t und beschimpft.

Spanische Fahnen, die laut Gesetz vor allen Rathäusern wehen müssen, wurden mancherort­s herunterge­rissen. Spaniens Sicherheit­skräfte bekommen oft in Katalonien zu hören: „Haut ab, Besatzungs­truppen.“„Ein starkes Gefühl des Schwindels erfasst die Gesellscha­ft“, schrieb Enric Juliana, einer der prominente­sten Journalist­en Katalonien­s. „Es herrscht Angst, dass die Eskalation in einer Katastroph­e endet.“

Spaniens zerstritte­ne Parteien schaffen es derweil nicht einmal in dieser schlimmste­n Staatskris­e in der demokratis­chen Geschichte, sich zusammenzu­raufen. Klare Unterstütz­ung in seiner kompromiss­losen Katalonien­politik bekommt Spaniens konservati­ve Minderheit­sregierung nur von der kleineren bürgerlich-liberalen Partei Ciudadanos. Die Sozialiste­n, Spaniens größte Opposition­spartei, sind zerstritte­n. Nur die linksalter­native Protestbew­egung Podemos, drittgrößt­e Partei der Nation, tritt zusammen mit den kleineren Regionalpa­rteien aus Katalonien, dem Baskenland und Valencia offen für eine Verhandlun­gslösung ein: Sie schlagen einen „dritten Weg“vor zwischen katalanisc­her Unabhängig­keit und spanischem Pochen auf den Rechtsstaa­t – und zwar ein ausgehande­ltes und damit legales Unabhängig­keitsrefer­endum nach dem Vorbild Schottland­s.

 ?? FOTO: AFP ?? Spaniens Regierungs­chef Mariano Rajoy (rechts) und seine konservati­ve Minderheit­sregierung werden im Katalonien­konflikt nur von der kleineren bürgerlich-liberalen Partei Ciudadanos und deren Chef Albert Rivera (links) unterstütz­t. Rivera ist selbst...
FOTO: AFP Spaniens Regierungs­chef Mariano Rajoy (rechts) und seine konservati­ve Minderheit­sregierung werden im Katalonien­konflikt nur von der kleineren bürgerlich-liberalen Partei Ciudadanos und deren Chef Albert Rivera (links) unterstütz­t. Rivera ist selbst...

Newspapers in German

Newspapers from Germany