Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Front National und AfD kämpfen mit denselben Problemen

- Von Christine Longin, Paris

Die erste Reaktion von Marine Le Pen war euphorisch ausgefalle­n. „Bravo an unsere Verbündete­n von der AfD für dieses historisch­e Ergebnis“, schrieb die Chefin der Rechtsauße­n-Partei Front National (FN) im Kurznachri­chtendiens­t Twitter nach dem Wahlerfolg der AfD bei der Bundestags­wahl. Kurz darauf zeigte sich aber, dass beide Parteien in denselben Problemen stecken: In Frankreich verließ Le Pens Vize Florian Philippot den FN, in Deutschlan­d geht die bisherige AfD-Chefin Frauke Petry eigene Wege. „Es passiert bei den Rechtspopu­listen ziemlich häufig, dass der Wahlerfolg Auftakt für eine Reihe von Abspaltung­en ist“, sagt der französisc­he Spezialist für die extreme Rechte, Jean-Yves Camus.

In Frankreich trieb Le Pen ihren Vordenker in die Trennung, nachdem dessen antieuropä­ische Linie bei den Wahlen nicht den gewünschte­n Erfolg gebracht hatte. Die Tochter von Parteigrün­der Jean-Marie Le Pen hatte in der Stichwahl gegen Emmanuel Macron zwar mit knapp elf Millionen Stimmen das beste Ergebnis für ihre Partei erzielt, war aber unter den eigenen Erwartunge­n geblieben.

Im Gegensatz zur noch jungen AfD hat der FN in seiner mehr als 40 Jahre langen Geschichte schon mehrere Abspaltung­en hinter sich. 1999 kehrte der damalige Vize Bruno Megret der Partei den Rücken und gründete eine neue Formation. Bei den Präsidents­chaftswahl­en 2002 kam er aber nur auf 2,3 Prozent, während Jean-Marie Le Pen es in die Stichwahl gegen Jacques Chirac schaffte. „Die Konsequenz­en der Abspaltung messen sich nicht nur im Wahlergebn­is, sondern auch in der Fähigkeit der Partei, über gut ausgebilde­te Leute zu verfügen. Mit Megret sind damals viele Parteikade­r gegangen“, sagt Camus. Zu spüren bekam das der FN auf lokaler Ebene, wo es ihm bei den Kommunalwa­hlen an geeigneten Kandidaten fehlte.

Isoliert statt koalitions­fähig

Die meisten Anhänger Megrets kamen aber zurück und besetzten unter Marine Le Pen Spitzenpos­itionen. Mit der 49-Jährigen wurde der FN 2014 bei der Europawahl stärkste Partei. Noch immer stoßen die Rechtspopu­listen jedoch an eine „gläserne Decke“von 30 Prozent, die bei den Regionalwa­hlen 2015 verhindert­e, dass sie eine der 13 Regionen gewannen. „In einem Wahlsystem, wo Koalitione­n gebildet werden müssen, um zu gewinnen, bleiben die Frontisten isoliert“, sagt der FN-Experte Joël Gombin der Zeitung „Libération“.

Die Isolation ist allerdings nicht bei allen rechtspopu­listischen Parteien in Europa gegeben. In Österreich, Italien und Finnland schafften es die Populisten bereits in die Regierung. „Um sich an der Regierung zu beteiligen, muss man seine Rhetorik mäßigen können“, sagt Camus. Das gelte auch für die AfD. „Wenn sie irgendwann einmal eine Koalition bilden will, muss sie nationalis­tische und antisemiti­sche Sprüche vermeiden.“

Das tut der FN. Die Strategie der „Entteufelu­ng“hatte Marine Le Pen nach dem Abgang ihres Vaters eingeleite­t, der mehrfach wegen antisemiti­scher Äußerungen verurteilt worden war. Dennoch sehen laut einer Umfrage 58 Prozent der Franzosen den FN als Gefahr für die Demokratie. Allerdings steigt der Anteil derer, die die Positionen der Partei gutheißen. Kein Wunder also, dass Politiker der konservati­ven Republikan­er mit scharf rechter Rhetorik verlorene FN-Wähler zurückhole­n wollen.

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