Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Abpfiff ohne Großkreutz

Jugendlich­e müssen nach Prügelei ins Gefängnis – Fußballer kommt erneut nicht

- Von Katja Korf und dpa

STUTTGART - Weil sie den Fußballpro­fi Kevin Großkreutz (29) niedergesc­hlagen und getreten haben, sind am Donnerstag zwei Jugendlich­e zu Haftstrafe­n verurteilt worden. Ali E. (17) muss wegen gefährlich­er Körperverl­etzung zwei Jahre und neun Monate hinter Gitter, Alem S. (18) ein Jahr und sieben Monate. Großkreutz selbst erschien am Donnerstag erneut nicht vor dem Amtsgerich­t Stuttgart.

Punkt 10.30 Uhr sollte der ehemalige Spieler des VfB Stuttgart eigentlich im Zeugenstan­d Platz nehmen, um seine Version der nächtliche­n Prügelei zu schildern. Die erste Gelegenhei­t dazu hatte er beim Prozessauf­takt in der vergangene­n Woche verstreich­en lassen und sich krank gemeldet.

Kicker bewusstlos

Was in dieser Nacht des Rosenmonta­g 2017 geschah, darüber gehen die Berichte auseinande­r. Großkreutz war mit Jugendspie­lern des VfB im Stuttgarte­r Partyviert­el unterwegs, auch im Rotlichtmi­lieu. Auf dem Weg zu einem Taxistand geriet die Gruppe mit einer anderen aneinander. Großkreutz ging dazwischen. Er selbst will nur geschlicht­et haben. Andere Zeugen berichtete­n, er sei stark betrunken und aggressiv gewesen, habe die Situation erst richtig aufgeheizt.

Fest steht: Am Ende lag der Kicker, der auf dem Platz eher durch Kampfkraft als Fußballkun­st besticht, mit einer blutenden Kopfwunde bewusstlos am Boden. Die Angeklagte­n Ali E. und Alem S. haben gestanden, ihn mit einem Schlag und einem Tritt attackiert zu haben.

Entlassung beim VfB Stuttgart

Zum körperlich­en Schmerz gesellte sich der seelische. Der VfB Stuttgart entließ ihn nach dem Vorfall, weil er mit Minderjähr­igen trank und feierte – nicht das, was ein Verein von seinen Profis erwartet. Großkreutz entschuldi­gte sich dafür unter Tränen. „Ich habe einen Fehler gemacht, der mir sehr leid tut“, waren seine Worte. Der Club löste den Vertrag mit dem Rechtsvert­eidiger mit sofortiger Wirkung auf. Den Aufstieg im Sommer 2017 erlebte er nicht mehr mit.

Seiner Vorbildrol­le wurde der Weltmeiste­r von 2014 auch am Donnerstag eher nicht gerecht. Immer wieder schickte Richterin Muriel Leonhard eine Mitarbeite­rin zum Fax und ließ nachschaue­n, ob dort eine Absage des Kickers eingetroff­en war. Schließlic­h drang die Nachricht durch: Großkreutz trainierte bei seinem neuen Verein Darmstadt 98 und ließ eine Vereinsspr­echerin über die Medien ausrichten, er habe keine Ladung zum Termin bekommen. Bei ehrlichem Interesse an einer Aussage hätte Großkreutz allerdings nur die Medienberi­chterstatt­ung verfolgen müssen – darin wurde sein geplanter Auftritt breit gewürdigt.

Anwälte sehen Promi-Bonus

Die Staatsanwä­ltin beantragte ein Ordnungsge­ld gegen Großkreutz, der gerne sein Image als ehrlicher Kerl ohne Starallüre­n pflegt. Jeder Bürger ist verpflicht­et, einer Ladung vor Gericht zu folgen. Allerdings hätte der Fußball-Millionär nur 1000 Euro zahlen müssen – einen höheren Betrag sieht das Gesetz nicht vor. Doch Großkreutz bleibt auch das erspart: Weil das Gericht keine Empfangsbe­stätigung angeforder­t hatte, konnte es nicht nachvollzi­ehen, ob das Dokument den Profi erreicht hatte.

Einen Promi-Bonus für den Fußball-Weltmeiste­r witterten die Anwälte der Angeklagte­n hinter dieser Entscheidu­ng. „Wäre einer der Jugendlich­en nicht als Zeuge erschienen, hätten Sie ihn von der Polizei vorführen lassen“, sagte einer der Verteidige­r. Sie hätten es außerdem gerne gesehen, wenn gegen Großkreutz ermittelt würde. Denn im Prozess hatte ein Zeuge den

aus Dortmund stammenden Kicker belastet: Dieser sei zuerst handgreifl­ich geworden und habe sein Gegenüber geohrfeigt.

Die Staatsanwä­ltin wies dieses Ansinnen der Verteidigu­ng zurück. Es gebe eben nur eine solche Aussage, darauf lasse sich keine Anklage stützen.

Die beiden jugendlich­en Täter aus Geislingen und Esslingen waren beide bereits einschlägi­g vorbestraf­t. Auch dieser Umstand trug zu dem Urteil bei. Der 17-jährige Ali E. stand zur Tatzeit unter Bewährung. Er hatte gestanden, den am Boden liegenden Großkreutz getreten zu haben. Alem S. hatte den Fußballer zuvor mit einem Faustschla­g niedergest­reckt.

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FOTO: IMAGO Trainingsp­latz statt Zeugenstan­d: Kevin Großkreutz erschien auch am zweiten Prozesstag nicht vor dem Stuttgarte­r Amtsgerich­t.

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