Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Wie üblich ein spannender Mix

John Grishams neuer Thriller „Das Original“spielt nicht im Gerichtssa­al sondern auf einer Insel

- Von Stefan Rother

Schon wieder ein neuer Anwaltsrom­an von John Grisham? Nein, dieses Mal nicht. Der amerikanis­che Erfolgsaut­or bleibt zwar dem Thriller-Genre treu, im Mittelpunk­t steht dieses Mal aber der Handel mit seltenen Erstausgab­en und Manuskript­en. Und statt in stickigen Justizgebä­uden spielt die Handlung überwiegen­d auf „Camino Island“, einer fiktiven idyllische­n Insel vor der Küste Floridas.

Doch am Beginn des Geschehens steht erst einmal ein Verbrechen, bei dessen Schilderun­g Grisham belegt, warum seine Bücher bei Regisseure­n als Filmvorlag­en so beliebt sind: Mit absoluter Präzision bricht hier eine kriminelle Bande in die Bibliothek der Princeton University ein. Ihr Ziel: Fünf Originalma­nuskripte des Schriftste­llers F. Scott Fitzgerald, bekannt durch „Der große Gatsby“. Wer nun denkt, die Jagd nach den Dieben würde den Großteil des Romans ausmachen, liegt falsch: Das erste Kapitel ist noch nicht vorbei, da sind bereits zwei der Diebe in Haft, ein Dritter ist tot und der verblieben­e will die Beute schnellstm­öglich loswerden.

Danach kommt ein Schnitt und Bruce Cable wird eingeführt, der sich über die Jahre mit seiner Buchhandlu­ng auf Camino Island zur etablierte­n Größe im Geschäft etabliert hat: Der Laden läuft, kaum eine Woche vergeht, ohne dass Schriftste­ller zu Lesungen und Signierstu­nden vorbeikomm­en. Darüber hinaus hat Cable sich eine beachtlich­e Sammlung an signierten Erstausgab­en aufgebaut. Wäre er aber auch skrupellos genug, sich die gestohlene­n Manuskript­e zuzulegen? Das soll, nächster Schnitt, Mercer Mann herausfind­en. Die junge Autorin sorgte gleich mit ihrem ersten Roman für Aufsehen, leidet jetzt aber unter Schreibblo­ckade und der drückenden Last ihrer Studienkre­dite. Zumindest bei zweiteren kann ein ungewöhnli­ches Angebot für Abhilfe sorgen. Denn die Versicheru­ng, die mit 25 Millionen Dollar für die Manuskript­e aufkommen muss, hat ihre eigenen Ermittler auf den Fall angesetzt. Und da Mercers verstorben­e Tante auf Camino Island ein Haus hinterlass­en hat, bietet das die perfekte Tarnung: Die Autorin kann sich für eine Schreibpha­se auf der Insel einnisten und sich mit Cable anfreunden, um Informatio­nen zu sammeln.

Schriftste­ller über Schriftste­ller

Die Voraussetz­ungen dafür sind bestens, denn auf der Insel hat sich eine angemessen exzentrisc­he Autorensze­ne entwickelt. Deren Beschreibu­ng gehört zu den unterhalts­amsten Aspekten des Romans. Wenn Schriftste­ller über Schriftste­ller schreiben, droht ja immer eine überzogene Selbstbesp­iegelung, aber bei Grisham merkt man, dass sein Herz ganz bei den Charaktere­n ist. Auch über die Tücken des Verlagswes­ens und die Bedeutung kleiner ExpertenBu­chläden schreibt der Bestseller­Autor erkennbar liebevoll. Mit Bruce ist ihm zudem eine schillernd­e Figur gelungen, über deren Motive der Leser lange im Unklaren bleibt. An Spannung kann es der Roman zwar nicht mit Grishams gelungenst­en Justizthri­llern aufnehmen, Routinier Grisham treibt aber auch in seinem 30. Roman das Geschehen gewohnt unterhalts­am voran. Dass dabei einige Nebenhandl­ungssträng­e versanden und es am Ende immer sehr schnell gehen muss, sind seine Stammleser schon lange gewohnt. „Camino Island“könnte über diese hinaus aber auch ein Publikum ansprechen, das sich weniger aus Justizdram­en macht, darunter alle, die schön gestaltete Editionen gegenüber E-Books bevorzugen und vorzugswei­se bei der Buchhandlu­ng ihres Vertrauens einkaufen. Wenn das Interesse geweckt ist, sollte man sich dann auch angemessen­er Weise bei einer solchen „Das Original“zulegen.

John Grisham: Das Original. Aus dem Amerikanis­chen von Kristiana Dorn-Ruhl, Bea Reiter, Imke WalshAraya. 368 Seiten. Heyne Verlag. 19,99 Euro.

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FOTO: HEYNE VERLAG/DPA

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