Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Wie üblich ein spannender Mix
John Grishams neuer Thriller „Das Original“spielt nicht im Gerichtssaal sondern auf einer Insel
Schon wieder ein neuer Anwaltsroman von John Grisham? Nein, dieses Mal nicht. Der amerikanische Erfolgsautor bleibt zwar dem Thriller-Genre treu, im Mittelpunkt steht dieses Mal aber der Handel mit seltenen Erstausgaben und Manuskripten. Und statt in stickigen Justizgebäuden spielt die Handlung überwiegend auf „Camino Island“, einer fiktiven idyllischen Insel vor der Küste Floridas.
Doch am Beginn des Geschehens steht erst einmal ein Verbrechen, bei dessen Schilderung Grisham belegt, warum seine Bücher bei Regisseuren als Filmvorlagen so beliebt sind: Mit absoluter Präzision bricht hier eine kriminelle Bande in die Bibliothek der Princeton University ein. Ihr Ziel: Fünf Originalmanuskripte des Schriftstellers F. Scott Fitzgerald, bekannt durch „Der große Gatsby“. Wer nun denkt, die Jagd nach den Dieben würde den Großteil des Romans ausmachen, liegt falsch: Das erste Kapitel ist noch nicht vorbei, da sind bereits zwei der Diebe in Haft, ein Dritter ist tot und der verbliebene will die Beute schnellstmöglich loswerden.
Danach kommt ein Schnitt und Bruce Cable wird eingeführt, der sich über die Jahre mit seiner Buchhandlung auf Camino Island zur etablierten Größe im Geschäft etabliert hat: Der Laden läuft, kaum eine Woche vergeht, ohne dass Schriftsteller zu Lesungen und Signierstunden vorbeikommen. Darüber hinaus hat Cable sich eine beachtliche Sammlung an signierten Erstausgaben aufgebaut. Wäre er aber auch skrupellos genug, sich die gestohlenen Manuskripte zuzulegen? Das soll, nächster Schnitt, Mercer Mann herausfinden. Die junge Autorin sorgte gleich mit ihrem ersten Roman für Aufsehen, leidet jetzt aber unter Schreibblockade und der drückenden Last ihrer Studienkredite. Zumindest bei zweiteren kann ein ungewöhnliches Angebot für Abhilfe sorgen. Denn die Versicherung, die mit 25 Millionen Dollar für die Manuskripte aufkommen muss, hat ihre eigenen Ermittler auf den Fall angesetzt. Und da Mercers verstorbene Tante auf Camino Island ein Haus hinterlassen hat, bietet das die perfekte Tarnung: Die Autorin kann sich für eine Schreibphase auf der Insel einnisten und sich mit Cable anfreunden, um Informationen zu sammeln.
Schriftsteller über Schriftsteller
Die Voraussetzungen dafür sind bestens, denn auf der Insel hat sich eine angemessen exzentrische Autorenszene entwickelt. Deren Beschreibung gehört zu den unterhaltsamsten Aspekten des Romans. Wenn Schriftsteller über Schriftsteller schreiben, droht ja immer eine überzogene Selbstbespiegelung, aber bei Grisham merkt man, dass sein Herz ganz bei den Charakteren ist. Auch über die Tücken des Verlagswesens und die Bedeutung kleiner ExpertenBuchläden schreibt der BestsellerAutor erkennbar liebevoll. Mit Bruce ist ihm zudem eine schillernde Figur gelungen, über deren Motive der Leser lange im Unklaren bleibt. An Spannung kann es der Roman zwar nicht mit Grishams gelungensten Justizthrillern aufnehmen, Routinier Grisham treibt aber auch in seinem 30. Roman das Geschehen gewohnt unterhaltsam voran. Dass dabei einige Nebenhandlungsstränge versanden und es am Ende immer sehr schnell gehen muss, sind seine Stammleser schon lange gewohnt. „Camino Island“könnte über diese hinaus aber auch ein Publikum ansprechen, das sich weniger aus Justizdramen macht, darunter alle, die schön gestaltete Editionen gegenüber E-Books bevorzugen und vorzugsweise bei der Buchhandlung ihres Vertrauens einkaufen. Wenn das Interesse geweckt ist, sollte man sich dann auch angemessener Weise bei einer solchen „Das Original“zulegen.
John Grisham: Das Original. Aus dem Amerikanischen von Kristiana Dorn-Ruhl, Bea Reiter, Imke WalshAraya. 368 Seiten. Heyne Verlag. 19,99 Euro.