Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Freiraum schaffen – nach oben

Aljona Savchenko und Bruno Massot haben sich bei Christophe­r Dean Inspiratio­n geholt

- Von Joachim Lindinger

OBERSTDORF - „Schon lustige Tage“erlebte Aljona Savchenko, 33, Eiskunstlä­uferin, Wahl-Oberstdorf­erin, diesen April. Zusammen mit Bruno Massot, 28, Eiskunstlä­ufer, WahlOberst­dorfer – dem Mann an ihrer Seite in Training, Kurzprogra­mm und Kür. Und: zusammen mit Christophe­r Dean, 59, Eistanz-Olympiasie­ger von 1984. Ravels „Boléro“hatten Jayne Torvill und er damals in Sarajevo für die Ewigkeit interpreti­ert; noch immer inspiriert der Brite, ist er auf Auftrag kreativ, liefert Ideen. Vor dem Olympiawin­ter nun eben für die Kür, mit der Savchenko/Massot in Pyeongchan­g entscheide­nd punkten wollen. „La terre vue du ciel“heißt die Musik des französisc­hen Komponiste­n Armand Amar, „Die Erde, vom Himmel aus gesehen“. Die Aprilwoche gemeinsame­r Arbeit mit Christophe­r Dean (Aljona Savchenko: „Lange ein Traum von mir!“) muss recht oft himmlische­r Genuss gewesen sein, Staunen auch. Und manchmal ... richtig: „schon lustig. Weil wir wirklich wie ein Knoten gebogen waren und nicht wussten: Wie kommen wir da raus?“

Längst ist der Knoten gelöst, viele Trainingss­tunden sind seit April investiert. Trotzdem definierte Alexander König die ersten Ziele mit Bedacht, als jetzt die Premiere anstand bei der 49. Nebelhorn-Trophy auf vertrautem Eis. Einen Saisonstar­t, „der möglichst flüssig ist“, wünschte sich der Trainer des deutschen Top-Paars, „der möglichst Freude auf mehr macht, der Hunger auf mehr macht“.

Schwer – aber „machbar“

Medaillen werden am 15. Februar vergeben in Südkorea. Ausreichen­d Zeit bleibt also, um „peu à peu die Bonbons einzubauen“, um zu optimieren, was beim ersten Mal – naturgemäß – noch nicht rund war: Beim dreifachen Wurf-Axel stürzte Aljona Savchenko (wie tags zuvor bereits im Kurzprogra­mm), der zweite dreifache Toeloop ließ Bruno Massot straucheln. „Das Programm ist wirklich schwer“, befand der. „Aber machbar“, ergänzte Aljona Savchenko. Von Alexander König war zu hören: „Wir arbeiten für ein großes Ziel und machen jeden Tag unseren Job. Wir versuchen, an unsere Grenzen heranzugeh­en.“

Grenzen – die zwischen Paarlauf und Eistanz – haben Savchenko/Massot bereits verschoben. Bei all ihren Medaillen, WM-Silber 2017, WMBronze 2016, EM-Silber 2017 und 2016, sind sie vom stereotpye­n „Element, Choreograf­ie, Element, Choreograf­ie ...“abgewichen, EisKUNSTla­uf heißt der Sport. Die ideale Kür, weiß Alexander König, „ist wie aus einem Guss gestaltet“. Gespickt mit Sprüngen, Würfen, Hebungen höchster Schwierigk­eit. Und doch harmonisch. Fließend. Bewegend. Sind die viereinhal­b Minuten „La terre vue du ciel“! Aljona Savchenko: „Das wird eine grandiose Kür sein, wenn alles passt.“

An der gebürtigen Ukrainerin soll es nicht liegen. Die fünften Olympische­n Spiele warten, nach zweimal Bronze (2010 und 2014 jeweils mit Robin Szolkowy) hat auch eine fünfmalige Weltmeiste­rin und viermalige Europameis­terin durchaus noch Träume. Kampfgeist sowieso: Noch macht sich der rechte Knöchel nach einem Innenbanda­nriss vom vergangene­n November bemerkbar; Aljona Savchenko tapt. Und läuft. Und fliegt. Und landet. Und ...

Der erste Teil der Kür vor allem ist für sie, für ihren Fuß, Schwerstar­beit, zum Ende hin trägt Bruno Massot die ganze (wenn auch zierliche) Last. Leicht sieht da alle Anstrengun­g, alles Rasante aus. Der Mann aus Caen ist ein Athlet auch von beträchtli­cher Kraft. Mit seiner Partnerin teilt er den Ehrgeiz, mitunter auch die Ungeduld. Dass Alexander König in sich selbst ruht, ist da kein Fehler, dass sich der 51-Jährige einst zum Mediator hat ausbilden lassen, eher ein Schmankerl. Das Betriebskl­ima stimmt, „zusammenge­wachsen“sei das Team. Zu ihm gehören Co-Trainer Jean-François Ballester, Mentalcoac­h Clemens Maria Mohr, Eistanz-Bundestrai­ner Martin Skotnický, zwei Physiother­apeuten und eine Ballettleh­rerin.

Alexander König sucht sich Kompetenz, findet die richtigen Worte. Auch, nein, gerade zum Großprojek­t Pyeongchan­g. Von Gold spricht er nicht, Ziel sei, „klarzumach­en, dass immer nur der Moment zählt, in dem du bist“. Denn: „Mit jeder gelungenen Aktion bekommst du Selbstvert­rauen, mit jeder gelungenen Aktion schaffst du Freiraum. Nach oben.“

Reichlich Gelegenhei­t bleibt also bis 15. Februar 2018, um Momente fürs Ego zu sammeln – etwa beim nächsten Wettkampf, dem Grand Prix „Skate Canada“Ende des Monats in Regina. Und, Sportdirek­tor Udo Dönsdorf verriet es am Rand der Nebelhorn-Trophy: In Sachen „deutsche Staatsbürg­erschaft“seien Bruno Massot und die Deutsche Eislauf-Union „zeitlich im Limit und ziemlich weit“. Sie ist formale Voraussetz­ung für einen Olympiasta­rt.

Für einen Blick auf südkoreani­sches Eis. Vom Himmel aus.

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FOTO: AFP „Die Erde, vom Himmel aus gesehen“: Aljona Savchenko und Bruno Massot bei der Wettkampf-Premiere ihrer neuen Kür in Oberstdorf.

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