Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Wenn der Wolf im eigenen Körper wütet
Lupus erythematodes greift die DNA an – Behandlung wie bei Rheuma
WUPPERTAL (dpa) - Gelenk-Rheuma kennt man. Aber es gibt auch rheumatische Erkrankungen, die nicht in erster Linie die Gelenke angreifen. Sie in den Griff zu bekommen, ist bisweilen eine Lebensaufgabe. Betroffenen hilft, sich gut zu informieren und zu vernetzen.
Mira Winterstein war elf Jahre alt, als ihr Leben völlig auf den Kopf gestellt wurde. Sie hatte stark abgenommen, fühlte sich unwohl. Um ein bisschen zu entspannen, setzte sie sich kurz in die Sonne. Dann brach das Mädchen zusammen. „Ich dachte, ich würde sterben.“Im Krankenhaus diagnostizierten die Ärzte Pfeiffersches Drüsenfieber. Sie wurde entlassen, doch es wollte ihr nicht besser gehen: Sie war müde, alles tat weh. Irgendwann hegte ihr Vater, selbst Arzt, einen Verdacht. Sein Kind könnte am systemischen Lupus erythematodes (SLE) erkrankt sein. Er behielt recht.
Das war vor 24 Jahren. Heute nimmt Mira Winterstein 26 verschiedene Medikamente. Sie hat 16 Jahre Chemotherapie hinter sich und lebt seit acht Jahren mit einer transplantierten Niere. Trotzdem sagt sie: „Es geht mir gut.“So gut, wie es einem eben gehen kann, wenn der Körper die eigene DNA angreift.
Das menschliche Immunsystem sollte eigentlich Krankheiten abwehren. „Es schickt Abwehrzellen los, um den Körper vor Fremdem zu schützen“, erklärt Bernhard Hellmich von der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie. Manchmal gehen diese Abwehrzellen aber auch auf die eigenen Zellkerne los. Beim systemischen Lupus erythematodes ist das so. Er gehört zur Gruppe der sogenannten Kollagenosen.
Hellmich vergleicht diese Krankheiten gern mit Schmetterlingen. „Es gibt grüne, rote, schwarze, gelbe“, So ist es auch mit den Kollagenosen. Sie eint, dass der Körper das eigene Immunsystem nicht in Schach halten kann. Je nach Erkrankung werden unterschiedliche Körperteile angegriffen. Beim Lupus ist es die eigene DNA. Beim Sjögren-Syndrom – der am häufigsten vorkommenden Kollagenose – zerstört es Drüsen wie die Tränen- oder Speicheldrüse. Bei der systemischen Sklerodermie richten sich die Abwehrzellen gegen das Bindegewebe.
So wie es bunt-gemusterte Schmetterlinge gibt, so können auch mehrere Kollagenosen zusammen auftreten. Lupus-Patienten etwa haben häufig auch das Sjögren-Syndrom. Bei vielen Patienten mit Kollagenosen kommen Beschwerden hinzu, die typisch für Rheuma sind: Gelenke entzünden sich, schmerzen, werden dick. „Das ist allerdings ein Nebenschauplatz“, erklärt Christian Tomiak, Oberarzt im Reha-Zentrum Bad Aibling. Anders als bei der rheumatoiden Arthritis zerstören die Entzündungen die Gelenke nicht.
Therapie mit Rheumamitteln
Trotzdem behandeln Ärzte Kollagenosen mit Medikamenten aus der Rheumatherapie. Wenn sich Abwehrzellen fälschlicherweise gegen körpereigene Strukturen richten, reagiert der Körper mit Entzündungen. Deswegen bekämpft man Kollagenosen mit Medikamenten, die Entzündungsprozesse unterbinden und das Immunsystem in Schach halten.
Ursächlich behandeln lassen sich Kollagenosen allerdings genauso wenig wie alle anderen Autoimmunerkrankungen. „Wir wissen ja nicht einmal, warum das Immunsystem so fehlgeleitet reagiert“, sagt Tomiak. Wird eine Kollagenose diagnostiziert, kann niemand vorhersagen, wie sie verläuft. Bei manchen Patienten verursacht der systemische Lupus erythematodes bleierne Müdigkeit und Gelenkbeschwerden. Und meist auch eine charakteristische Röte auf den Wangen – das sogenannte Schmetterlingserythem. Früher hinterließ es Narben, die Menschen mit Wolfsbissen verglichen. Daher stammt vermutlich der Name: Lupus ist das lateinische Wort für Wolf. Bei anderen Patienten greift die Krankheit innere Organe an.
Bei Mira Winterstein halten die Ärzte mit allen Mitteln ihr Immunsystem und die zahlreichen Entzündungsprozesse in ihrem Körper unter Kontrolle. Die Krankheit beherrscht im Grunde ihr Leben. Trotzdem hat sie gelernt, sich davon nicht unterkriegen zu lassen. Sie rät Betroffenen, sich mit anderen auszutauschen: „Es gibt Selbsthilfegruppen für jede dieser Erkrankungen.“